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Auf Weinreise in Georgien

HAWESKO Wein-Einkäuferin Michaela Daffner berichtet von ihren Erfahrungen in Georgien

Veröffentlicht am 30. November 2023
Die Weinregionen Georgiens zu bereisen, ist wie Wein noch mal komplett neu zu entdecken. Die lange Geschichte und Tradition, die Georgien mit Weinbau verbindet, ist allgegenwärtig zu spüren. Wein-verwandte Symbolik und Weinreben sind omnipräsent und verdeutlichen, wie verwoben die Geschichte des Landes mit diesem Getränk ist. Uns fällt auf, dass die Weintradition und die Art, Wein zu konsumieren, etwas anders ist als in Westeuropa. So gibt es beispielsweise außerhalb von Tiflis kaum Weinhandlungen oder Weinbars. Uns wurde erklärt, dass der Grund darin läge, dass sich jede Familie mit eigenem Wein zu versorgen weiß. Es sei einfach nicht üblich für Georgier, sich Wein einzukaufen. 

Dem Wein wird eine immense Bedeutung beigemessen; viele der Erzeuger erklären uns, dass er fast einem nationalen Heiligtum gleiche und untrennbar mit der georgischen (Ess)Kultur verbunden ist. Wer schon einmal in Georgien war, weiß, dass Essen und Trinken zelebriert wird und sogenannte Supras, Festmähler, die von Reden, Gesang und Tanz begleitet werden, eine zentrale Rolle in der georgischen Kultur spielen. Bei einem Supra ist Wein unverzichtbar.

Georgiens Hauptstadt Tiflis

Tiflis, die spannende Trendmetropole am Kaukasus

In Georgien beginnt und endet eine Reise in der Regel in der Hauptstadt Tiflis. Nur wenige Reisende haben Georgiens Hauptstadt auf dem Schirm, doch sofort nach Ankunft wird deutlich, wie energiegeladen und interessant diese Stadt ist.

Zahlreiche Künstler, Musiker und Kreative sind hier zu Hause. „Tiflis ist das neue Berlin“, hörte man fast überall, was vor allem an der äußerst dynamischen und elektronisch geprägten Musik-Szene liegt. Auch eine aufstrebende, internationale Gastronomie und die lebendige Bar-Szene bietet alles, was das Herz des anspruchsvollen Städtereisenden begehrt. 

Die Altstadt von Tiflis


Die Weinkarten der Stadt sind aufregend, spannend und fast ausschließlich georgisch geprägt. Eine besondere Empfehlung für alle Weinliebhaber und Entdecker sind die Weinbars von „8000 Vintages“, von denen es ein paar Locations in Tiflis gibt. Hier gibt es alles, was der georgische Wein zu bieten hat und darüber hinaus kann man hier auch köstlich essen oder sich eine Flasche aus dem integrierten Geschäft mit nach Hause nehmen.

Wer sich weniger durch Tiflis trinken möchte, dem sei ein Ausflug mit der Seilbahn zur Nariquala-Festung ans Herz gelegt. Oben wartet ein spektakulärer Ausblick und wer Lust hat, kann dann gemütlich den Berg hinunter in die wunderschöne Altstadt spazieren.

Das Resümee nach zwei Tagen in Tiflis ist: Diese Stadt ist jung, lebendig und aufregend und wird für uns eine absolut positive Neuentdeckung, mit der wir nicht gerechnet hatten.

Blick über Tiflis


Tiflis, die Weinstadt

Wer bereits in Tiflis Lust bekommt, Weingüter zu besuchen, kann das innerhalb des Stadtgebiets tun. Obwohl in der Hauptstadt selbst kaum Wein angebaut wird, befinden sich hier einige der bekanntesten Weingüter des Landes. Dies hat einen besonderen Grund: Traditionellerweise wurden entweder die Trauben oder der bereits vergorene Most aus den nahegelegenen Weinbauregionen Kartli und Kachetien nach Tiflis gebracht, wo die Trauben verarbeitet und zu Wein gekeltert wurden. 

Tiflis war vor allem in der Vergangenheit wesentlich besser an den Rest der Welt angebunden und verfügte immer schon über eine effiziente Infrastruktur. In der Vergangenheit wurde sehr viel georgischer Wein vor allem in die ehemaligen UDSSR-Staaten exportiert, doch seitdem Russland im Jahr 2006 ein Handelsembargo über Georgien verhängt hat, haben sich viele Weingüter in Richtung Westen umorientiert. Heute geht ein großer Teil der Weine ins Vereinigte Königreich, in die USA und auch nach Asien. Die Zweit-Standorte der Weingüter in Tiflis dienen heute aber immer noch als Logistikzentren und in manchen Fällen auch als Anlauforte für Weintouristen.

Kartli – Von Traditionsweingütern und Trendsettern

Von Tiflis aus ist es nur eine kurze Autofahrt nach Kartli, wo es u.a. das Traditionsweingut Château Mukhrani und das Weingut des Virtuosen lago zu entdecken gibt. Größer könnten die Gegensätze hier nicht sein: Während das angesehene und traditionsreiche Château Mukhrani sehr an französische Vorbilder erinnert, ist Iago vor allem in der Naturweinszene ein Superstar und in den angesagtesten Restaurants und Bars auf der ganzen Welt gelistet. Iago war in den 90ern eine treibende Kraft in Georgien, als die heutigen Starwinzer aus Norditalien, u.a. Stanko Radikon und Josko Gravner, zu ihm kamen, um die Kunst des Weinmachens im Qvevri zu entdecken. Das traditionsreiche Château Mukhrani produziert Weine, die sehr an französische Weine erinnern und auf international hohem Niveau spielen.

Georgische Weinbaugebiete

Kachetien

Weiter geht es dann nach Kachetien, das bekannteste und zugleich größte Anbaugebiet in Georgien. Hier, an der Grenze zu Armenien und am Fuße des Kaukasus, wird fast 80 % des gesamten georgischen Weins erzeugt. Nicht überraschend gibt es hier einige spannende Weingüter zu entdecken, u.a. Tbilvino und Koncho Co. Kachetien ist eine landschaftlich wunderschöne Weinregion, die atemberaubende Blicke auf die Berge des Kaukasus, ursprüngliche georgische Kultur und frische, äußerst schmackhafte Küche bietet.  Vor allem hier erzeugen einige Winzer mit sehr viel Innovationskraft und modernster Kellertechnik äußerst überzeugende Weine, die dennoch ihre Herkunft sehr deutlich widerspiegeln.


Traditionelle georgische Speisen

Die Rebsorten Georgiens

Die wohl bekannteste Rebsorte des Landes ist die rote Saperavi-Traube. Saperavi ist eine sogenannte Teinturier Rebsorte, das bedeutet, dass sowohl die Schale als auch das Fruchtfleisch rot eingefärbt ist. Dadurch werden aus Saperavi auch ganz besonders dunkle, kernige und gerbstoffreiche Weine gekeltert, die aber unter besonders fachmännischem Know-how zu feinen, alterungsfähigen und hochkomplexen Weinen ausgebaut werden.  Tatsächlich haben die meisten georgischen Weinproduzenten mit der Reifung von Weinen keine große Erfahrung, da Wein hier fast ausschließlich in den ersten 2-3 Jahren nach der Ernte getrunken wird. Einige aktuelle Experimente, auch außerhalb Georgiens, zeigen jedoch das enorme Alterungspotential dieser Weine auf und versprechen große Weine. 

Die wichtigsten weißen Rebsorten sind Rkatsiteli (ausgesprochen: Katsiteli), Kisi und Mtsvane (ausgesprochen: Mutswane), die oft auch in Cuvées zu finden sind. Rkatsiteli ist eine der ältesten Rebsorten der Welt und eine der fruchtigeren weißen Rebsorten. Sie bringt sehr frische und knackige Weißweine hervor, die mit grünem Apfel und Zitrusaromen bestechen. Mvtsvane ist etwas fülliger, weicher und meistens etwas floraler, während Kisi meistens sehr strukturiert und kräftiger daherkommt. Kisi wird daher auch gerne für die Herstellung von Orange- und Amberweinen benutzt.

Was ist das Besondere an georgischen Weinen?

So wie auch in anderen Ländern, die fast ausschließlich mit einheimischen, sogenannten autochthonen, Rebsorten auftrumpfen können, ist die Fülle der für Deutsche oft unaussprechlichen Rebsorten auch in Georgien Fluch und Segen zugleich. Wie kaum in einem anderen Land haben Weingenießer die Möglichkeit, sich in spannende Abenteuer mit neuen, unentdeckten Weinen zu begeben. Andererseits bedeutet dies aber auch Verwirrung und Unsicherheit, welche Stile und Qualitäten sich jetzt hinter den unbekannten Rebsorten auf den Etiketten befinden. Sicher ist jedoch, dass es sich bei den in Deutschland erhältlichen georgischen Weinen fast immer lohnt, einen Blick über den Tellerrand zu werfen. 

Das wirklich besondere Merkmal von georgischen Weinen sind Weine aus dem Qvevri. So bezeichnet man die Tonamphoren, in denen Wein in Georgien seit unglaublichen 8.000 Jahren ausgebaut wird. Qvevris werden schon seit jeher in Georgien benutzt und waren in der Antike die beliebteste (und oft einzige) Wahl, um Wein auszubauen. Die Tonfässer werden in den Boden gesetzt, um eine konstante Temperatur zu garantieren. Somit spart man sich hier auch die übliche Temperaturkontrolle. Die Trauben – weiße wie rote – werden in die Amphore gegeben, gequetscht und vergoren. Oft werden auch die Stiele vor der Gärung mit in die Amphore gegeben, was den Weinen noch mal zusätzliche Struktur verleiht. Dies wird jedoch regional unterschiedlich gehandhabt und ist eher für das westliche Georgien typisch.

Lange Zeit geriet diese Art Wein zu keltern in Vergessenheit, zumindest außerhalb von Georgien. Im westlichen Europa nutzt man traditionell Holzfässer und – vor allem in der jüngeren Vergangenheit – Stahltanks. Dann wurde die ursprüngliche und traditionelle Art in den 1990er-Jahren wieder entdeckt und von rebellischen norditalienischen Winzer-Stars wie Stanko Radikon erstmals auf die internationale Bühne gebracht. Heute sind Qvevri-Weine vor allem in der Naturweinszene beliebt und bieten eine willkommene Abwechslung zu den bekannten Größen.

Wie schmecken Qvevri-Weine?

Qvevri-Weine schmecken anders als gewöhnliche Weine, meist etwas herber, mit weniger Betonung auf der Frucht. Die Weißweine sind durch die Maischegärung wesentlich gerbstoffreicher und kräftiger. Sie eignen sich daher besonders gut zu würzigen, mediterranen Speisen wie gefüllte Weinblätter, Falafel oder Hummus oder anstelle Rotwein zu kräftigen Fleisch- und Schmorgerichten. Im Qvevri vergorene Rotweine hingegen scheinen leichter und eleganter, was eventuell der erhöhten Sauerstoffzufuhr zuzurechnen ist.

Qvevri Weine in Georgien

Heute unterscheiden georgische Weingüter zwischen „klassischen“ Weinen, im Stile von modernen Weinen, wie sie in Europa und in der Neuen Welt üblich sind, und „traditionellen“ Weinen, die im Qvevri ausgebaut wurden.

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REDAKTIONSTEAM

Das Redaktionsteam des Wein Magazins besteht aus den Mitarbeitern des Hanseatischen Wein & Sekt Kontors, die in den unterschiedlichsten Bereichen tätig sind. Hier schreiben Wein-Einkäufer, Mitarbeiter des Marketings und studierte Oenologen. Aber auch Kolleginnen und Kollegen, die einfach ganz viel Spaß am Wein haben.