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The Great Taste of California – Wein Made in Kalifornien

Lesen Sie über den Weinbau im Sonnenstaat Kalifornien

Veröffentlicht am 19. Juni 2018

Der Golden State und der neue Weinbau

Im Radio läuft Californication von den Red Hot Chili Peppers, während man für eine kurze Zeit die Klimaanlage ausdreht, das Autofenster herunterkurbelt und locker seinen Ellbogen raushängen lässt. Die Fahrt von Mendocino Richtung San Francisco direkt an der Pazifikküste muss man einfach genießen, so wie vieles andere in Kalifornien auch. Sprichwörtlich ist der California Way of Life, diese entspannte Art, miteinander umzugehen und nicht so sehr auf Konventionen zu achten. Diese Kultur zeichnet auch den Weinbau aus, der im Laufe der letzten Jahrzehnte einige der berühmtesten Weine der Welt hervorgebracht hat. Doch Kalifornien ist viel mehr als einige Weinikonen. Zwischenzeitlich konnte man den Eindruck gewinnen, dass trotz der Größe der Fläche im Prinzip nur ein Weinstil vorherrscht: einer, der von allem viel bietet: Holz, Alkohol und Frucht. Dieser Stil prägt zwar die bekanntesten Weine, doch gab es immer auch andere Charaktere und gerade in den letzten Jahren hat sich im Golden State noch einmal einiges verändert.

Winemaking und der California Way of Life

Tatsächlich sind die USA mit Abstand der größte Markt für kalifornische Weine. Am Geschmack der Amerikaner orientieren sich die Winzer und Weinmacher. Deshalb waren die kalifornischen Weine in der Vergangenheit oft üppig und kraftvoll, reif und sehr furchtbetont. Doch das ist natürlich nur die eine Seite der Medaille. Denn in den letzten Jahren hat sich eine Vielzahl von Winemakern darangemacht, einen anderen Stil zu vinifizieren. Kalifornien ist der Staat, der so anders ist als der Rest der USA. Er ist ein Schmelztiegel von europäischen, mittelamerikanischen, vor allem mexikanischen, aber auch asiatischen Kulturen. In diesem Golden State gehen auch die Weinmacher eigene Wege. Zum Beispiel gehen sie in die Berge von Sonoma und in die Randbezirke des Napa Valley, wo am Morgen die kühlen Nebel vom Pazifik die Reben einhüllen und es immer ein wenig mehr Wind gibt als in den Ebenen. Dort, wo die hohen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht für ein besonders intensives Aroma der Beeren sorgen, dort entstehen heute Weine mit prägnanter Säure und Frische und einem Stil, der auf sehr wenig schmeckbares Holz setzt oder sogar ganz auf Holz verzichtet.

Die wichtigsten Rebsorten aus Kalifornien

Da die USA nicht über eigene edle Reben, die so genannten vitis vinifera verfügen, sondern es bei der Ankunft der Europäer lediglich Wildreben gab, haben die Siedler im Laufe der Zeit Dutzende verschiedene Sorten aus Europa nach Kalifornien gebracht. Natürlich gehörten die wichtigsten französischen Rebsorten dazu, aber auch viele aus dem Balkan. Durch gesetzt haben sich vor allem die französischen Reben und der Zinfandel. Dabei gibt es natürlich regionale Ausprägungen innerhalb des kalifornischen Anbaugebietes. Während Teile der North Coast klimatisch mit der Loire oder der Mosel zu vergleichen sind, erinnern südliche Teile Kaliforniens eher an die südliche Rhône und tatsächlich herrschen dort Rhône-Rebsorten wie Syrah, Grenache oder Viognier vor. Die wichtigsten Rebsorten aber sind der Chardonnay, der Zinfandel, der Cabernet Sauvignon und der Merlot.

Chardonnay – Wooded or unwooded?

Gerade beim Chardonnay, der wichtigsten weißen Rebsorte des Golden State, kann man die Veränderungen des kalifornischen Weinstils sehr gut nachvollziehen. Der klassische kalifornische Chardonnay ist ein opulenter Wein mit einer klaren Holzstilistik, die nach Eiche, Kokos und Vanille duftet, nach Butter, reifen Birnen und exotischen Früchten. Ein solcher Wein hat viel Power und zeigt oft eine feine reife Süße. Chardonnay ist wegweisend für die neue Tendenz der kalifornischen Winemaker zu einem eleganteren Stil, der schlank, ausbalancierter und mineralischer ist, und inzwischen auf viele andere Rebsorten übergegriffen hat. Somit hat Kalifornien heute zwei maßgebliche Stile: Den kraftvolleren und üppigen, der nach wie vor viele Liebhaber auf der ganzen Welt hat, und den frischen, leichteren Weinen. Insbesondere der neuere Stil passt gut zur New California Cuisine, einer Küche, die ein Mix aus den vielen unterschiedlichen Kulturen in Kalifornien ist.

Zinfandel – die kalifornischste aller Rebsorten

Woher der Name Zinfandel genau stammt, ist ungewiss, doch woher die Rebsorte stammt, weiß man heute genau. Sie stammt aus Dalmatien im heutigen Kroatien und hat dort natürlich einen anderen Namen. Dort heißt sie Tribidrag. Aus Dalmatien hat man sie vor langer Zeit vor allem in zwei Länder mitgenommen und dort kultiviert: nach Apulien, wo man sie Primitivo nennt, und nach Kalifornien, wo sie den Namen Zinfandel erhalten hat, der sich so ähnlich anhört wie Zirfandler, was aber eine eigene Rebsorte ist, die aus dem österreichisch-ungarischen Raum stammt. Unabhängig davon ist der Zinfandel die kalifornischste aller Rebsorten geworden. Nicht nur dachte man lange, sie stamme von der Westküste, sie passt auch mit ihrer Fruchtigkeit und ihrer Struktur hervorragend zur Kultur. Der Wein ist kräftig und kann manchmal recht ungestüm sein, er hat einen ganz eigenen Charakter, aber einen süßen Kern, der oft an reife Himbeeren erinnert, in die sich Aromen von Süßholz, Nelken und Pfeffer mischen können. Und eines ist sicher: Der Zinfandel passt hervorragend zu allem, was mit Barbecue zu tun hat. Egal ob gegrilltes Huhn, Steak, Würstchen oder Burger, der Zinfandel ist die richtige Wahl.

Cabernet Sauvignon – auch aus dem Golden State große Klasse

Spätestens seit dem 24. Mai 1976 ist der Cabernet Sauvignon eine Ikone des kalifornischen Weinbaus. Es war er Tag, als sich die Welt der kalifornischen Winzer für immer veränderte. Zwar gab es auch schon vorher gute Weine, doch sie waren nie mit den damals besten Weinen aus Bordeaux verglichen worden. 1976 hat man das in Paris getan, und das Ganze endete für die Franzosen mit einem Eklat. Der Sieger der Verkostung war ein kalifornischer Cabernet Sauvignon aus dem Napa Valley. Damit begann der Siegeszug dieser französischen Sorte, die in Napa und Sonoma auch heute einige ihrer schönsten Exemplare hervorbringt. Die Weine sind fruchtbetont und tief, werden mit der Zeit immer komplexer sowie eleganter und verfügen über eine hervorragende Struktur und Dichte. Dazu gönnen sich diese Weine wirklich Zeit; denn ihre besten Exemplare entwickeln sich über Jahrzehnte. Die meisten Cabernets aber werden früher getrunken, und das ist auch gut; denn unter der Sonne Kalifornien werden die Cabernets runder, fruchtiger und üppiger als in Europa und erlauben schnelleren Genuss. Wer dazu die richtigen Speisen sucht, ist bei Rindfleisch – egal ob kurzgebraten, gegrillt oder geschmort – bestens aufgehoben. Auch diese Kombination macht den Wein in den USA natürlich zu einem der beliebtesten Essensbegleiter.

Merlot – yes, they can

Es gab für den Merlot vor Jahren einen tiefen Einschnitt in der Gunst des Publikums. Der Grund war – nicht untypisch für Kalifornien – ein Kinofilm, der 2004 so etwas wie ein Kultstreifen gewesen ist. Sein Name ist Sideways, und in diesem Film machen zwei Freunde eine Junggesellen-Abschiedstour durch das Napa Valley, bevor der eine der beiden heiratet. Das Credo des Weinexperten von den beiden lautete: Merlot ist out, pflanzt lieber Pinot noir. Tatsächlich hat dieser Film in Kalifornien damals genau das bewirkt. Heute allerdings wird die Bordeaux-Sorte Merlot wieder genauso vergöttert wie vor dem Film. Schließlich sind die meisten Weinberge, in denen damals plötzlich Pinot gepflanzt wurde, viel zu warm für diese Sorte. Merlot mag die Wärme viel lieber und lässt daraus leicht zugängliche, dunkelfruchtige und kräutrige Weine entstehen, die über ein samtenes Tannin verfügen. In der Spitze nimmt es diese Sorte ohne Weiteres mit großen Cabernet Sauvignons auf, bleibt aber immer dunkelfruchtiger, opulenter und seidiger am Gaumen. Und natürlich findet man auch zu dieser Sorte den richtigen Partner in der kalifornischen Küche – diesmal vom Nachbarland Mexiko inspiriert: Enchilladas oder Chili con Carne mag der Merlot gerne und ebenso eine gebratene Entenbrust.

Christoph Raffelt

Christoph lehrt als Dozent an der Deutschen Wein- und Sommelierschule Hamburg. Er schreibt und podcastet bereits seit mehr als acht Jahren in seinem privaten Blog originalverkorkt.de und verfasst Weinkritiken und Artikel für verschiedene weitere Medien. Für seine Reihe über die Champagne der Winzer und unabhängigen Häuser wurde er 2014 mit dem Wine Online Award für den besten Weintext des Jahres ausgezeichnet