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Süditalien – die volle Vielfalt

Erfahren Sie alles über die Weinwelt Süditaliens.

Veröffentlicht am 08. März 2014
Wer das Land kennenlernen will, in dem die Zitronen blühen, sollte dies nicht in Südtirol tun, nicht am Gardasee, nicht in Rom und auch nicht in der Toskana. Die wirklichen Zitronen, die es in dutzenden von Varianten gibt, die duften, wie man es auf dem heimischen Wochenmarkt noch nie gerochen hat, die findet man im Süden Italiens. Hier, in Kampanien und der Basilikata, im Chilento, in Apulien oder auf Sizilien duftet die Landschaft, trifft man auf spektakuläre Naturschauspiele, alte Klöster und Burgen, irdische Genüsse und – nicht zuletzt – auf eine große Anzahl äußerst bemerkenswerter Weine aus für uns oft unbekannten Rebsorten.

Die autochthone Weinwelt Kampaniens

Rund um Neapel, am Vesuv und der Amalfiküste, bei Pestum und am Monte Vulture findet sich heute ein Reichtum an Rebsorten, wie ihn nur ein Land zu bieten hat: Italien. Bewusst ist uns das meistens nicht, denn wir kennen zwar die Sangiovese und den Montepulciano, aber wer hat schon mal Greco di Tufo probiert, Aglianico del Vulture, Fiano di Avellino oder Coda di Volpe? Das sind nur einige der Rebsorten, die uralt sind und oftmals von den Griechen während der ersten Besiedlungen mitgebracht wurden. Lange Zeit, hat sich niemand mehr um diese Rebsorten gekümmert. Aus dem Süden Italiens, dem Armenhaus des italienischen Stiefels, hat man eh nur Südfrüchte bezogen, den ganzen Reichtum, den dieser traumhaft schöne Flecken Erde zu bieten hat, hat man lange ignoriert. Das hat sich geändert. Spätestens seit einige Winzerbetriebe begonnen haben, sich um den uralten Rebbestand zu kümmern und aus diesen Sorten Weine zu keltern, die blitzartig unter Kritikern auf der ganzen Welt hohe Punktzahlen erreicht haben. Ein Beispiel dafür ist der tiefdunkle Aglianico, den die Kellermeister von Feudi di San Gregorio zu einem der höchst dekorierten Weine Italiens geformt haben. Mittlerweile hat man das unglaubliche Potenzial dieser Sorten wiederentdeckt und es gibt viele, die in den letzten zwei Jahrzehnten in den Weinbau investiert haben und damit den italienischen Reichtum bereichert haben.


Sizilien wirkt wie ein eigener Weinkontinent mit unterschiedlichen Klimazonen und autochthonen Rebsorten. © istock.com

In Apulien schlägt das Herz von Primitivo und Negroamaro

Etwas bekannter dagegen sind die Weine Apuliens. Das Revival am Absatz des Stiefels hat etwas früher begonnen als in der Basilikata und in Kampanien. Doch auch hier hat man lange, allzu lange lediglich Fassware für Massenweine erzeugt, bevor man die wahren Qualitäten von Sorten wie dem Primitivo oder Negroamaro wiederentdeckt hat. Doch auch hier gibt es noch manchen Schatz zu heben, oder kennen Sie den Nero di Troia oder vielleicht die Verdeca? Ganz langsam werden diese Sorten wieder bekannt. Mit verantwortlich dafür ist Torrevento, ein engagierter Betrieb unterhalb des berühmten Castel del Monte, der seit Jahren für Aufmerksamkeit sorgt und regelmäßig im Gambero Rosso hoch dekoriert wird.

Sizilien, ein Weinriese, der langsam erwacht

Man mag es kaum glauben, aber auf dieser so fruchtbaren Insel, die eine mehrtausendjährige Weintradition hat, wurde über ein Jahrhundert lang fast ausschließlich Wein für die Branntweinerzeugung und für einfachste Fassware angebaut. Es hat bis in die Achtzigerjahre hinein gebraucht, um sowohl die alten Rebsorten wieder zu entdecken als auch mit den Global Playern wie Syrah, Merlot oder Chardonnay zu experimentieren. Heute teilen sich einigen ultramoderne, große, blitzsauber arbeitende Kellereien den Markt mit kleinsten Winzerbetrieben, die beispielsweise die steilen, alten Terrassenlagen am Etna bewirtschaften oder im Süden der Insel alte Traditionen wie die Vergärung in Amphoren wieder aufleben lassen. Dazwischen stehen Betriebe wie Donnafugata, die moderne Önologie mit Tradition verbinden und stark auf alte Rebsorten setzen. Für den Rotwein überstrahlt die inseleigne, exzellente Sorte Nero d’Avola, die Schwarze aus Avola, alles, doch sollte man daneben Sorten wie dem Nerello Aufmerksamkeit widmen. Der Nerello, der es gerne etwas kühler liebt, gedeiht rund um den Etna am besten und bringt dort feine Qualitäten hervor. Lange keine Beachtung gefunden hat der Frappato, eine relativ helle Sorte, die zusammen mit dem Nero d’Avola einen duftigen Wein bildet, der als einziger auf Sizilien die höchste offizielle Qualitätsstufe DOCG erhält. Die Rede ist vom Cerasuolo di Vittoria. Ebenso klingend sind die Namen der autochthonen Weißweinsorten der Insel, Zibbibo heißt eine, Inzolia eine weitere und Grillo eine andere. Mit einer Cuvée aus Ansonica, Cataratto und Grecanico, drei weiteren typischen Weißweinsorten, steht Donnafugata mit dem Damarino für das Sizilien, das alte Sorten mit einer Frische verbindet, die bemerkenswert ist und einfach Lust macht. Lust auf den Süden und die Sonne Italiens, Lust auf die regionale Küche von dort und Lust auf mehr Wein aus diesem bemerkenswerten Landstrich.

Christoph Raffelt

Christoph lehrt als Dozent an der Deutschen Wein- und Sommelierschule Hamburg. Er schreibt und podcastet bereits seit mehr als acht Jahren in seinem privaten Blog originalverkorkt.de und verfasst Weinkritiken und Artikel für verschiedene weitere Medien. Für seine Reihe über die Champagne der Winzer und unabhängigen Häuser wurde er 2014 mit dem Wine Online Award für den besten Weintext des Jahres ausgezeichnet