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In Neuseeland – 6: In Marlborough

In Marlborough – vom Sauvignon Blanc, alten Flussbetten und nachhaltigem Handeln.

Veröffentlicht am 24. April 2015
Man mag es kaum glauben, doch rund um die beschauliche Stadt Blenheim im Bereich Marlborough finden 77 % der gesamten Weinproduktion Neuseelands statt. 23.000 Hektar stehen unter Reben und 17.000 davon sind Sauvignon Blanc. Die Voraussetzungen zum Anbau dieser (und einiger weiterer) Rebsorte sind dabei ideal. Das Anbaugebiet liegt auf 42° südlich und profitiert von 2410 jährlichen Sonnenstunden bei 655 mm jährlichem Niederschlag. Neben all der Sonne kommen die kühlenden Winde vom angrenzenden Pazifik und bringen den Wind vom Polarmeer. Er trifft jedoch nicht mit voller Wucht auf das Weinbaugebiet, wie es beispielsweise in Martinborough der Fall ist, sondern wird abgemildert von einer Kette von Bergen rund um das Weinbaugebiet. Dort bleiben auch die meisten tief liegenden Schnee- und Regenwolken hängen, sodass die Rebstöcke Marlboroughs immer gut geschützt sind.

Neben geradezu optimalen klimatischen Bedingungen verfügen die Weinbauern über steinige Böden mit gutem Wasserabzug. Es sind vor allem die sich immer wieder verändernden Flussbetten des Wairau, des Waihopai und des Awatere, die über Jahrmillionen das Gletscherwasser aus dem Gebirge in den Pazifik gefördert und die Grundlage für den Weinbau in der Ebene geschaffen haben. Vor allem das Gebiet Rapaura am Wairau-River ist sehr steinig, während die südlicheren Gebiete mehr Ton aufweisen.


Links: Frühmorgens in den nördlichen Hügeln. Mitte: Im kleinen Weingut Greywacke, gegründet vom ehemaligen Cloudy-Bay-Mitbegründer Kevin Judd,
kultiviert man das Mittagessen selbst. Mit Greywacke-Winemaker Richard Ellis im Pinot-Weinberg.
Rechts: Sauberkeit ist im Keller immer oberstes Gebot, da muss man dann auch mal in den Tank.
Copyright Fotos: C. Raffelt

Viele Weinbaubetriebe füllen nicht mehr einfach nur den Sauvignon Blanc aus Marlborough ab, sondern differenzieren immer stärker zwischen den einzelnen Subzonen, den Tälern mit unterschiedlichen Bodenstrukturen und Kleinklimata. So schmeckt ein Sauvignon Blanc vom Awatere-River deutlicher nach Stachelbeeren und grünen Äpfeln und wirkt etwas schlanker und präziser, während der Klassiker aus Rapaura sich viel exotischer gibt, an Maracuja und Papaya erinnert und fülliger daher kommt. Längst haben die Winzer die angrenzenden Hügel mit ihrem Mischgestein, Löss und Tonerdegemisch entdeckt. Hier entstehen exzellente, ganz fruchtbetonte Chardonnays und Pinots.


Links: Buchstäblich mit der GPS_Nadelschnur wurde der 1.000 Hektar umfassende Weinberg angelegt.
Mit zum Nachhaltigkeitsprogramm gehören die Baby-Dolls und verschiedene Seen, aus dem die Weinberge, wenn nötig, bewässert werden. Copyright Fotos: Yealands.
Rechts: Peter Yealand und die Zweige der Rebstöcke, die zu Ballen gepresst als Brennmaterial für den Winter dienen. Copyright Fotos: C. Raffelt

Was Sustainability, also nachhaltiges Wirtschaften in Neuseeland heißen kann, kann man übrigens im Weingut von Peter Yealand begutachten. Nachhaltigkeit wird im Inselstaat Neuseeland, der von Klimaveränderungen in hohem Maße betroffen ist, großgeschrieben. Am größten aber schreibt es der Entrepreneur Peter Yealand, der von Beginn an, und zwar von 08.08.2008, das klimaneutralste Weingut der Welt aufgebaut hat. Während der Besichtigung konnte ich mir tatsächlich einen mehr als nachhaltig wirkenden Eindruck davon verschaffen, wie ernst man es dort meint. Dass das Weingut auf dem Weg zur Ökozertifizierung ist, ist da nur ein Schritt. Viel entscheidender ist, dass Yealand 1.000 Hektar öde Steppe, die höchstens von ein paar Schafen bevölkert war, in eine grüne Fläche voller Biotope verwandelt hat. Neben Teichen, Flussläufen und ganz unterschiedlichen heimischen Baumarten findet man Hühner, Schweine und jede Menge Schafe, sogenannte Baby Dolls, die ganzjährig zwischen den Rebzeilen grasen und so ganz natürlich die Weinberge pflegen. Das Weingut verfügt neben Wasseraufbereitungsanlagen und Solartechnik über den größten Komposthaufen Neuseelands, mit dem die Rebzeilen gedüngt werden.


Rebzeile mit Kompost. Der Trester aus der Weinproduktion wird mit anderem organischen Material und Muschelschalen vermengt. Copyright Foto: C. Raffelt

Der Rebschnitt, also die Äste und Zweige, wird später gepresst und als Brennmaterial für den Winter wiederverwendet. Im Detail wirkt das carboNZeroCert™-zertifizierte Weingut wie ein gut geführtes Familienweingut – dabei ist es groß, aber konsequent betrieben und von vornherein exzellent durchdacht. Peter Yealand ist, was die Konsequenz des nachhaltigen Schaffens angeht, sicherlich ein Visionär doch gibt es gleichzeitig viele weitere Winzer in Neuseeland, die sich sehr bewusst darüber sind, dass ihr eigenes wirtschaftliches Schaffen Auswirkungen auf den Klimawandel hat und man entsprechend vorsichtig agieren muss. Mehr als 94 % der Weinbaubetriebe arbeiten zertifiziert nachhaltig. Das ist ein Wert, den ich von keiner anderen Branche und keinem anderen Land kenne.



Die Reise erfolgt auf Einladung von New Zealand Wines.

Christoph Raffelt

Christoph lehrt als Dozent an der Deutschen Wein- und Sommelierschule Hamburg. Er schreibt und podcastet bereits seit mehr als acht Jahren in seinem privaten Blog originalverkorkt.de und verfasst Weinkritiken und Artikel für verschiedene weitere Medien. Für seine Reihe über die Winzer der Champagne und unabhängigen Häuser wurde er 2014 mit dem Wine Online Award für den besten Weintext des Jahres ausgezeichnet.