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Interview mit Nik Weis

Weingut St. Urbans-Hof, Oekonomierat Nic. Weis

Veröffentlicht am 07. September 2012
Das Weingut St. Urbans-Hof gehört zu den profiliertesten Weingütern des Anbaugebietes Mosel und zeichnet sich dabei durch die Besonderheit aus, beste Lagen sowohl an der Mosel als auch an der Saar zu besitzen. Die Familie Weis, die das Weingut 1947 gründete, hat dabei immer auf Qualität gesetzt, was vor allem in den siebziger und achtziger Jahren schon fast eine Seltenheit war. Authentizität ist für Nik Weis, dem Enkel des Gründers, dabei ein ganz wichtiges Merkmal. Entsprechend wird ausschließlich Riesling ausgebaut, die Eingriffe in Weinberg und Keller sind so schonend wie irgend möglich. Dass sich das Weingut jedoch auch auf andere Rebsorten versteht, merkt man spätestens dann, wenn man die Rebschule des Weinguts besucht, die zu den wichtigsten Europas zählt.

Lieber Nik Weis,
das Hanseatische Wein- und Sekt-Kontor hat eine fast ebenso lange Tradition wie Ihr Weingut, unser Weblog jedoch ist erst wenige Monate alt. Ein thematischer Schwerpunkt unseres Wein-Magazins ist es, Themen inhaltlich fortzuführen, die wir im Katalog nur anschneiden können. Dazu wird auch eine Interviewreihe mit Winzern zählen, die wir heute mit Ihnen als erstem Gesprächspartner starten möchten.

Wein-Magazin: Das Anbaugebiet Mosel, zu dem ja auch die Gebiete an Saar und Ruwer zählen, zeichnete sich lange Zeit vor allem durch Massenertrag und fehlende Qualität aus. Das hat sich stark geändert und viele Weingüter an Mosel, Saar und Ruwer gehören heute zur Speerspitze des Qualitätsweinbaus in Deutschland und sind auch international sehr begehrt. Welche Faktoren sind für Sie dabei maßgeblich?

Nik Weis: Es gab in den letzten Jahrzehnten immer schon, und zwar ohne Unterbrechung, Spitzenweingüter, die Top-Qualitäten erzeugt haben, selbst in schwierigen Jahrgängen. Das Problem war die dem gegenüberstehende Masse an schlechten Weinen, die an der Mosel erzeugt wurden. Da hat sich einiges geändert. Zunächst fand nach dem Zweiten Weltkrieg eine dramatische Flächenerweiterung an der Mosel statt, die Ende der 80er mit 13.000 Hektar ihren Höhepunkt erreichte. Es gab damals zu viel Wein und zu viel schlechten Wein. Heute im Jahre 2012 liegen wir wieder bei 9000 Hektar. Der Rückgang ist keine Katastrophe.

Nik und Daniela Weis

Nik Weis: Zur „Goldenen Zeit“ der Mosel, Anfang des 20. Jahrhunderts, hatte die Mosel ca. 7.500 Hektar. Seit Mitte der ´90er hat sich nun ein anderes Qualitätsempfinden entwickelt, mit dem eine Rückbesinnung auf authentische Moselweine einhergeht. Es kommt mir so vor, als hätten viele Winzer begriffen, dass wir hier mit international austauschbaren Weinen keinen Blumentopf gewinnen können, um es salopp auszudrücken. In vielen Weinbauländern, besonders der Neuen Welt, lässt sich Weißwein günstiger und mit kontinuierlicherer Jahrgangsausprägung erzeugen als an der Mosel. Immer mehr Leute verstehen, dass wir nur dann profitabel unsere Weinberge bewirtschaften können, wenn wir entsprechend hohe Weinpreise bekommen. Die bekommt man aber nur, wenn die Weine etwas Besonderes, nichts Austauschbares sind. Daher ist es erforderlich, die Stärken der Mosel hervorzuheben. Und die liegen nun mal im niedrigen Alkoholgehalt, einer dezenten Restsüße, einer profunden Mineralität, eleganter Säure, komplexer Aromatik und starkem, authentischem Charakter. So können wir Weine machen, die unnachahmlich sind. Schauen Sie sich Roquefort-Käse an. Den gibt es so nur aus Roquefort in Südfrankreich. Nur dort gibt es diese Rasse Schafe, diese Kräuter, dieses Klima, diese Art von Höhlen in besonderen geologischen und morphologischen Formationen. Versuchen Sie, Roquefort aus bayrischer Schafsmilch in Sandstein-Höhlen reifen zu lassen. Das hört sich interessant an, aber Sie werden keinen Roquefort machen.

So ist das an der Mosel, mit dem atlantisch beeinflussten Tal-Klima, mit dem verwitterten Schieferboden, mit den steilen Südweshängen und den Riesling-Reben.

Wein-Magazin: Der Name Sankt Urbans-Hof zeugt von einer christlichen oder kirchlichen Tradition. Wie viel Gottvertrauen gehört für Sie heute noch zum Winzerhandwerk dazu?

Nik Weis: Für mich ist Wein-Erzeugen eine Mischung aus Landwirtschaft, Handwerk, Wissenschaft und Glaube. Da ist eine gehörige Portion Gottvertrauen mit dabei. Das ist mehr als ein „mit der Natur gehen“. Das ist ein „macht Euch die Erde untertan“. Was so viel bedeutet wie: „Wirtschaftet gut, mit dem was Ihr habt. Macht das Beste daraus, aber zerstört nichts, damit Ihr es guten Gewissens und in bestem Zustand an die nächste Generation weitergeben könnt“. Das ist ein urchristlicher Grundsatz, den wir im Weingut St.Urbans-Hof beherzigen. Wie man das im Einzelnen angeht, liegt in der Hand des Winzers, egal ob man konventionell, naturnah, ökologisch oder biodynamisch wirtschaftet.

Wein-Magazin: Sie verwenden den Begriff ganzheitliche Weinbereitung und sehen den Winzer eher als Begleiter der Reben denn als Aktivisten. Diese Sicht ist Teil einer besonderen Idee, oder nennen wir es Philosophie. Was macht die Weinbereitung im St. Urbans-Hof zu etwas Besonderem?

Nik Weis: „Ganzheitlich“ heißt, immer einige Schritte vorauszudenken. Wie beim Autofahren, wenn man durch die Scheiben des vorausfahrenden Fahrzeugs die Bremsleuchten der übernächsten Verkehrsteilnehmer im Auge behält. Wenn ich beispielsweise Gärprobleme habe, sollte ich mir keine Gedanken über Reinzuchthefen oder Hefenährsalze machen, sondern meinen Weinberg anders oder besser düngen. Das meine ich mit Ganzheitlich.

Wein-Magazin: Das Weingut gehört mit über 30 Hektar zu den großen Weingütern der Mosel und setzt dabei ganz auf Riesling. Zum Riesling gehört hier der Schiefer in seiner ganzen Vielfalt. Es gibt also die Besonderheit des Bodens, der Rebsorte und der vorhin schon angesprochenen Form der Weinbereitung. All das zusammen könnte man als Terroir bezeichnen. Wodurch zeichnet sich dieses Terroir bei Ihnen aus, und wie unterscheidet es sich vor allem zwischen den Mosel- und den Saar-Lagen?

Nik Weis: Zum Terroir gehört nicht nur der Boden, sondern auch das Klima, die heimische Flora und Fauna und viele weitere Dinge, von denen uns manche nicht bekannt sind. Um die markantesten Einflüsse des Terroirs auf unsere Weine zu nennen, sind da, neben den verschiedenen Schiefer-geprägten Böden, wie blauer, roter und grauer Schiefer, auch noch die Tatsache, dass wir um den 50. nördlichen Breitengrad liegen. Durch die Steillagen ergibt sich eine Ausrichtung der Weinbergsfläche zur Sonne, die der einer Fläche auf dem Äquator gleichkommt. Dadurch erwärmen sich die Weinberge tagsüber sehr stark. Die Mosel ist aber auch von zwei Mittelgebirgen umgeben, Eifel und Hunsrück. Besonders der Hunsrück mit seinen Quarzit-Rippen generiert im Sommer und Herbst jede Menge kalte Luft, die nachts in die Täler einfließt und die Trauben kühlt. Dadurch bleibt die Säure erhalten und die Aromen akkumulieren sich. An der Saar ist dieser Effekt besonders stark. Das und der rote bzw. graue Schiefer zeichnen diesen Teil der Mosel besonders aus. Hinzu kommt, dass die Saar von Waldflächen umgeben ist, die dafür sorgen, dass das Regenwasser langsam durch den Unterboden abläuft. Dadurch haben wir in trockenen Jahren an der Saar seltener Trockenstress als an der Mosel.

Wein-Magazin: Ein Aspekt Ihrer Weinbereitung ist die Spontangärung. Können Sie uns diesen Begriff erläutern? Und birgt diese Art des Ausbaus nicht auch ein gewisses Risiko?

Nik Weis: Spontangärung bedeutet, dass wir keine Reinzuchthefen zum Most dazugeben, um die Gärung zu starten oder ablaufen zu lassen. Das ist nichts Besonderes. Vor 80 Jahren waren alle Weine spontan vergoren. Wenn man Reinzuchthefe, die man im Kellereibedarf in Tüten oder Paketen kaufen kann, zum Most gibt, zeichnet nur ein einziger Hefestamm für die Gärung verantwortlich. Das ist ungefähr so, als würden Sie Tomatensoße nur mit Basilikum, aber ohne Oregano, Thymian und Rosmarin kochen. Das Ganze schmeckt dann nun mal eindimensional. Ich möchte, dass meine Weine nicht nur nach ein oder zwei Fruchtaromen riechen und schmecken, sondern nach vielen anderen Dingen. Da gibt es rauchige, ätherische, kräuterige, erdige, blumige, gemüsige, nussige und würzige Noten, um nur einige zu nennen. Wein ist nun mal kein Fruchtsaft, sondern kulturell auf einer höheren Ebene angesiedelt.

Wein-Magazin: Ein weiterer Aspekt der Spontangärung ist ein gelegentlich vorkommender Geruch, der ein wenig an Autowerkstatt erinnert. Dieser dürfte für manchen Weintrinker ungewohnt sein. Wie erklären Sie einem Weinliebhaber diesen Geruch?

Nik Weis: Diese Noten gehören zu jungem Moselwein genauso dazu, wie der animalische Geruch zu einem jungen Bordeaux oder der Goût de Garrigue zu jungen Weinen aus dem Longue d‘Oc. Die einen nennen es Autowerkstatt, die anderen halten es für einen feinen Veilchenduft oder Schwarze Johannisbeere. Das ist eine Frage der Einstellung. Ich zum Beispiel finde, dass Landluft nicht stinkt, sondern duftet. Das Gleiche gilt für richtig intensiven Käse.

Wein-Magazin: Im Shop des Hanseatischen Wein- und Sektkontors finden sich momentan Weine aus 2010 und 2011. Das sind zwei durchaus unterschiedliche Jahrgänge. Wie würden Sie die unterschiedliche Stilistik erklären und wie kommt sie zustande?

Nik Weis: 2010 hatten wir etwas dünnere Beerenhäute, bedingt durch Regen im September. Während des trockenen Oktobers ist durch diese höhere Permeabilität ein Teil des Wassers in den Beeren auch ohne den Befall von Botrytis verdunstet. Das Ergebnis waren niedrige Erträge, hoch konzentrierte Weine und damit einhergehend auch eine höhere Säure. Diese Weine sind für eine lange Flaschenreife ausgelegt. 2011 war das anders. Die Erträge lagen höher. Die Säuren waren moderat, die Mostgewichte trotzdem gut und die Weine sehr harmonisch. Schon im jungen Stadium sind die 2011er sehr zugänglich. Ich habe noch selten so viele Jungweine mit großem Genuss getrunken wie dieses Jahr.

Herr Weis, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.


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REDAKTIONSTEAM

Das Redaktionsteam des Wein-Magazins besteht aus den Mitarbeitern des Hanseatischen Wein & Sekt Kontors, die in den unterschiedlichsten Bereichen tätig sind. Hier schreiben Wein-Einkäufer, Mitarbeiter des Marketings und studierte Oenologen. Aber auch Kolleginnen und Kollegen, die einfach ganz viel Spaß am Wein haben.