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Interview mit Konstantin Baum zum Thema nachhaltiger Weinbau in Kalifornien

Was ist nachhaltiger Weinbau? Und warum spielt er in Kalifornien eine besondere Rolle?

Veröffentlicht am 22. Juni 2022
Konstantin Baum, jüngster deutscher Master of Wine aller Zeiten, Weltenbummler und Education Ambassador Europe für das California Wine Institue (den Verband der Weingüter in Kalifornien) beantwortet unsere Fragen rund um das Thema nachhaltiger Weinbau in Kalifornien.

Was unterscheidet kalifornische Weine grundsätzlich von Weinen aus anderen Anbaugebieten?

„Dadurch, dass Kalifornien ein so großes Gebiet ist – die viertgrößte Herkunft für Wein nach Spanien, Frankreich und Italien und damit das größte Anbaugebiet – unterscheidet es sich alleine schon durch die Komplexität von allen anderen Anbaugebieten. Es gibt zahlreiche Regionen innerhalb des Gebietes, eine große Rebsortenvielfalt, und zahlreiche Winzerinnen und Winzer. Das bedingt einfach auch eine enorme Vielfalt bei den Weinstilen…ein Chardonnay z. B. wird in einem Gebiet in küstennähe eher schlank und fruchtig ausfallen und in einem Gebiet im Inland, wie dem Napa Valley eher konzentriert und körperreich. Dazu kommt, dass die Winzerinnen und Winzer viele Freiheiten haben und nicht wie in anderen Ländern und Gebieten an ein starres Gerüst aus AOC oder DOC Statuten gebunden sind… Hier haben die Winemaker wirklich die Freiheit, um das Beste aus den Weinen herauszuholen und sich auszutoben.    

Was ist „nachhaltiger Weinbau“?

Der nachhaltige Weinbau ist ein ganzheitlicher Ansatz. Das geht beim Weinberg los, den die Winzerinnen und Winzer so behandeln, dass auf ihm noch in 100 Jahren Rebstöcke bewirtschaftet werden können, setzt sich aber auch im Keller und bei der Behandlung der Mitarbeitenden, die in einem sicheren Umfeld tätig sind, fort. Es geht also nicht nur um die biologische oder biodynamische Bewirtschaftung des Weinberges und den dazugehörigen Praktiken der Weinbereitung, sondern umfasst alle Handlungen des Betriebes. 

Warum nehmen ausgerechnet die kalifornischen Erzeuger eine Vorreiterrolle beim nachhaltigen Weinbau ein?

Das hat unterschiedliche Gründe. Auch hier trägt die Größe des Gebietes seinen Teil bei. Die Winzerinnen und Winzer Kaliforniens sind über das California Wine Institute im größtem Winzerverband weltweit organisiert, damit kann man gemeinsam viel mehr erreichen und effizierter handeln als ein Verband in einer „normal großen“ Weinbauregion. Außerdem haben die Kalifornier schon immer ein sehr starkes Bewusstsein für die Schönheit ihres Landes und wollen diese unbedingt erhalten. Sicherlich ist ein weiterer Faktor, dass man in Kalifornien durch z. B. Wasserknappheit und Waldbrände die negativen Auswirkungen des Klimawandels schon stärker spürt als in anderen Regionen, ganz anders als etwa in Deutschland wo die Winzerinnen und Winzer derzeit ja vom Klimawandel profitieren. Das treibt die kalifornischen Winemaker natürlich zum Handeln an.

Gibt es Besonderheiten, die den nachhaltigen Weinbau in Kalifornien vom nachhaltigen Weinbau in anderen Anbaugebieten abhebt?

Eine Besonderheit ist das schon genannte California Wine Institute, in dem mehr Winzerinnen und Winzer organisiert sind als in jeder anderen Weinbauregion weltweit. Dann die auch schon mehrfach erwähnte Größe – es sind alleine 2.400 Weinberge nach kalifornischen Standards für nachhaltigen Weinbau zertifiziert – das sind 33 Prozent der gesamten Rebfläche.

Gibt es innerhalb von Kalifornien regionale Unterschiede zwischen den Methoden, die die Winemaker anwenden?

Grundsätzlich wird mit den gleichen Standardmethoden gearbeitet, Unterschiede gibt es nur aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, z. B. gibt es Regionen, in denen eine Bewässerung der Weinberge nicht nötig ist, während das in anderen Gegenden unumgänglich ist.

Wieso sind die Weine nachhaltig erzeugt, aber nicht unbedingt Bio-zertifiziert? Wie passt das zusammen?

Nachhaltiger Weinbau geht als ganzheitlicher Ansatz insgesamt weiter und berührt viel mehr Belange als der biologische oder biodynamische Weinbau. Natürlich geht der nachhaltige Weinbau im Weinberg und im Keller weniger in die Tiefe, aber in Kalifornien gelten für die Erzeugung von „Organic Wine“, also Biowein ganz andere Standards. Es darf hier z. B. fast kein Schwefel zugefügt werden, das ist eine große Hürde. Ein kalifornischer Biowein käme einem europäischen Orange- oder Naturwein sehr nahe, das macht diese Form der Weinerzeugung für die Winzerinnen und Winzer viel weniger interessant.




Schmeckt der Genießer einen Unterschied zwischen einem nachhaltig und einem konventionell erzeugten Wein?

Den Unterschied kann man natürlich nicht schmecken, aber man kann den Wein in dem Bewusstsein genießen, dass man die nachhaltige Erzeugung unterstützt und damit einen Beitrag dazu leistet, dass auch nachfolgende Generationen unsere Natur so erleben können, wie wir das tun.

Gibt es einen kalifornischen Winzer, der sich um den nachhaltigen Weinbau ganz besonders verdient gemacht hat?

Ich tue mich sehr schwer damit, hier jemanden hervorzuheben. Das Thema ist in Kalifornien wirklich in der Breite der Winzerinnen und Winzer angekommen und die gesamte Bewegung ist viel größer als einzelne Mitglieder. 

Die Mehrheit der Weinfreundinnen und -freunde verbinden kalifornische Weine vornehmlich mit Chardonnay, Cabernet Sauvignon und Zinfandel. Haben Sie eine besondere Empfehlung für uns, welche Rebsorte man Abseits des „Mainstreams“ in Kalifornien entdecken kann?

Pinot Noir! Der Pinot hat in den letzten 20 Jahren eine beeindruckende Entwicklung sowohl bei der erzeugten Menge als auch bei der Vielfalt der Stile durchgemacht. Außerdem sollte man den kalifornischen Sauvignon Blanc im Auge behalten und Rebsorten wie Grenache oder Mourvèdre probieren, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Außerdem erzeugen einige Weingüter ganz hervorragende Weine aus Marsanne und Roussanne. Kalifornien bietet wirklich eine enorme Bandbreite von großartigen Weinen – auch, wenn man jenseits des Fokus schaut!  

Zum Abschluss ein kleines Plädoyer: Warum sollte ich mich als Wein-Fan für einen nachhaltig erzeugten Wein aus Kalifornien entscheiden?

Das ist eine reine Gewissensfrage. Wer sich damit auseinander setzen möchte unsere Welt so wie sie ist zu erhalten und darauf mit Kaufentscheidungen aktiv Einfluss nehmen möchte, der kann das damit tun.


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