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Welches Glas zu welchem Wein? – Gläserkunde für Einsteiger

Ein Gastbeitrag von Daniel Bayer

Veröffentlicht am 21. Januar 2020
Als ob der Einstieg in die Weinwelt nicht schon kompliziert genug wäre. Scheinbar unzählige Rebsorten, Weinbauregionen und Ausbauarten sollen entdeckt, verkostet und verstanden werden. Befreundete Weinenthusiasten meinen es gut mit einem und geben Tipps, meinen es aber manchmal zu gut und verwirren den ohnehin schon überforderten Verstand nur noch mehr. Zu allem Überfluss empfehlen Weinkenner nun auch noch ein passendes Weinglas zum Wein. Aber welches Glas ist das Richtige, um die Aromen und das komplexe Zusammenspiel aus Säure, Alkohol und Zucker perfekt zur Geltung zu bringen? Ist das überhaupt notwendig? Brauche ich für jeden Wein ein anderes Glas?

Immer der Reihe nach. In diesem Artikel möchte ich Einsteigern einen groben Überblick darüber verschaffen, worauf es bei der Auswahl des Weinglases ankommt. Es geht nicht darum, sich im Detail zu verlieren, sondern um grundlegende Eigenschaften, die ein Weinglas haben sollte, um einen bestimmten Weinstil oder eine Rebsorte authentisch wiederzugeben. Es ist wichtig, die elementaren Grundlagen zu verstehen, denn das Weinglas hat sehr wohl einen entscheidenden Einfluss darüber, wie wir den Wein schmecken und wahrnehmen. Wenn du also noch am Anfang deiner Weinreise stehst, ist dieser Artikel genau richtig für dich.

Welche Weingläser gibt es und was sind die Unterschiede?

Weingläser gibt es wie Schiefer an der Mosel: Unzählbar viele und in allen erdenklichen Formen und Größen. Im Idealfall sind die Gläser aber so gestaltet, dass sie jeweils den individuellen Charakter eines Weins unterstreichen und somit den Trinkgenuss erhöhen. Und darum geht es letztendlich beim Weintrinken, um den Genuss. Neben Weiß und Rotweinen profitieren natürlich auch Schaumweine von einer speziellen Glasform. Proseccos, Sekte und Co. werden deshalb in hohen, auch „Flöten“ genannten Gläsern serviert. Durch diese längliche Form wird das Perlen unterstützt, was sich wiederum positiv auf das Aroma des Schaumweins auswirkt. Deshalb solltest du Flöten verwenden, da in den völlig ungeeigneten Sektschalen die Bläschen zu schnell wieder verschwinden. In den Sektgläsern müssen die Bläschen oder wie der Amerikaner sagt „Bubbles“ einen weiteren Weg bis zur Oberfläche zurücklegen.

Womit du deine kostbaren Bläschen auch ruinieren kannst, sind Spülmittel- oder Salzreste von scheinbar sauberen Gläsern aus der Spülmaschine. Für einen prickelnden Trinkgenuss würde ich dir empfehlen, die Gläser einfach noch einmal von Hand zu polieren, um sicherzugehen, dass die Gläser wirklich sauber und frei von Fingerabdrücken oder Staub sind. Dreckige Weingläser sehen nicht nur unappetitlich aus, sie können auch das Aroma des Weins deutlich beeinträchtigen.

Das richtige Rotweinglas



Worauf du beim Rotweinglas achten solltest, ist eine große, voluminöse Form. Durch die größere Oberfläche kommt der Wein schneller in Kontakt mit Luft und kann seine Aromen somit optimal entfalten. Je nach Rebsorte und Weintyp unterscheiden sich die Rotweingläser in ihrer Form. Was jedoch alle Gläser gemeinsam haben, ist ein „Bauch“, an dem das Glas übrigens nicht gehalten wird, es sei denn, du möchtest den Wein durch deine körpereigene Handwärme auf Temperatur bringen. Ein dicker Bauch sorgt also für eine größere Sauerstoffzufuhr, was dem Rotwein hilft, sich zu öffnen.

Eine weitere Formeigenschaft von Weingläsern ist der „Kamin“. Dabei handelt es sich einfach ausgedrückt um den Raum zwischen dem eingeschenkten Wein und dem oberen Glasrand. Also ausnahmsweise nicht der Schlot, durch den der Weihnachtsmann rutscht, um an Heiligabend die Geschenke zu verteilen. In vielen Fällen verfügen Weingläser über einen sich nach oben hin verengenden Kamin, um den Duft des Weines an der Nase zu konzentrieren. Dabei ist es wichtig, genügend Luft bzw. Sauerstoff im Kamin zu haben, damit die Aromen nach oben steigen und von uns wahrgenommen werden können. Das ist auch einer der Gründe, warum ein Weinglas nie mehr als bis zu einem Drittel gefüllt wird, einmal abgesehen davon, dass es einfach keinen Spaß macht, aus einem vollen Weinglas zu trinken bzw. den Wein zu schwenken. Da sind Rotweinflecken vorprogrammiert.

Worauf es beim Weißweinglas ankommt

Diese Formen definieren im Prinzip, wie das Glas am Ende aussieht und für welchen Wein es geeignet ist. Fortgeschrittene und Weinkenner haben jeweils verschiedene Weingläser für große Bordeauxweine, elegante Pinot Noirs oder kräftige Riojas. Dabei unterscheiden sich die Gläser in den bereits genannten Merkmalen. Das gilt natürlich auch für Weißweingläser, nur dass diese insgesamt kleiner sind. Das Rad wurde beim Weißweinglas also nicht neu erfunden. Roséweine und Weißweine werden in mittelgroßen Weingläsern serviert, wodurch die frischen Fruchtnoten konzentriert zur Nase geleitet werden sollen. Wenn du einen bereits gereiften oder sehr körperreichen Weißwein hast, könnte es sein, dass der Tropfen von einem dickeren Bauch, ähnlich wie beim Rotwein, profitiert. Mächtige Chardonnays brauchen auch mächtige, bauchige Gläser. Sie verfügen über wenig Säure, was durch eine breite Form ausgeglichen werden kann. Dadurch gelangt mehr Flüssigkeit an die Zungenränder, was den Wein etwas knackiger erscheinen lassen kann. Schlanke Gläser würden das Gegenteil bewirken, wodurch der ohnehin schon fette Chardonnay noch fetter und cremiger wirken würde. Ein Riesling oder Grüner Veltliner hingegen würde von dieser Glasform profitieren, da beide in der Regel eine höhere Säure aufweisen.

Worauf du als Anfänger noch achten könntest, ist der Glasrand, also der Teil, mit dem du deine Lippen berührst. Die intime Schnittstelle zwischen dir und dem Rebsaft. Das klingt nicht nur wichtig, das ist es auch. Denn der Glasrand entscheidet letztendlich darüber, wo und mit welcher Intensität der edle Tropfen auf deine Zunge und deren Geschmackszonen trifft. Je nach Glasstärke und Radius des Glasrandes können unterschiedliche Zungenzonen mit dem Wein in Kontakt kommen. Außerdem bin ich ein großer Fan von extrem dünnen, mundgeblasenen Weingläsern. Diese sind nicht nur ultraleicht und schön anzusehen, sie vermitteln auch ein komplett anderes Trinkgefühl als bei Weingläsern mit dicken Rändern.

Einige Glasproduzenten machen sich sehr viele Gedanken darüber, wie das Weinglas geformt sein muss, damit der jeweilige Weintyp optimal zur Geltung kommt. Um die Unterschiede bewusst wahrzunehmen und zu erfahren, wie ein und derselbe Wein aus 5 verschiedenen Weingläsern schmeckt, empfehle ich einen Workshop zur Gläserkunde. Diese werden von vielen namhaften Herstellern angeboten und vermitteln ein umfangreiches und wertvolles Weinwissen.

Wenn dich die Auswahl des Weinglases überfordert und du absolut keine Lust hast, dir darüber den Kopf zu zerbrechen, welches Glas denn jetzt das Richtige für deinen Wein ist, kannst du auch auf sogenannte Universalgläser zurückgreifen. Einige Firmen haben sich darauf spezialisiert, spezielle Weingläser herzustellen, die sowohl für Rotweine als auch für Weißweine verwendet werden können. Du kannst also aus einem und demselben Glas einen Chardonnay aus Kalifornien oder einen Pinot Noir aus Baden genießen. Alle Rebsorten und Weinstile können aus diesen Gläsern getrunken werden, was die Auswahl extrem erleichtert und gerade für den Einstieg eine große Hilfe ist. Einfacher geht es wirklich nicht mehr. Welche verschiedenen Universalgläser es gibt und worauf du beim Kauf achten solltest, habe ich in diesem Artikel ausführlich beschrieben: à http://wein-verstehen.de/bestes-weinglas/

Daniel Bayer
Daniel Bayer ist Weinblogger und hilft mit seinem Blog www.wein-verstehen.de Weinfreunden dabei, Wein besser zu verstehen. Außerdem ist er auf Instagram unter @wein_verstehen zu finden, wo er sich mit zahlreichen Gleichgesinnten vernetzt hat und interessante Einblicke in spannende Interviews und Verkostungen gewährt. Daniel ist es zudem ein großes Anliegen, den Winzern selbst eine Bühne zu geben. In seinem “Winzer talk”-Podcast dreht sich alles um die Erzeuger und deren Philosophie. Dazu reist Daniel von Weinbauregion zu Weinbauregion, um die Winzer vor Ort beim Verkosten ihrer Weine zu befragen.