image

Das richtige Dekantieren und Belüften von Wein – Teil 2

Teil 2/2

Veröffentlicht am 28. August 2012
Unlängst haben wir uns an dieser Stelle mit den Vorteilen und Gefahren des Dekantierens beschäftigt. Was beim Dekantieren eigentlich passiert und wann man das Dekantieren unbedingt unterlassen sollte, können Sie im ersten Teil des Beitrags nachlesen. Jetzt soll es uns um den Sinn oder Unsinn einer anderen Art von Belüftung des Weines gehen, um das frühzeitige Öffnen.

Sie haben es bestimmt schon einmal in einem Restaurant oder im Kreis von Verwandten oder Freunden erlebt: Der für den Wein zuständige Mensch tut kund, dass er den für den Hauptgang vorgesehenen Rotwein bereits entkorkt habe, damit dieser schon einmal etwas Luft bekomme. Wer sich von seiner Umwelt bewundern lassen möchte, kann auch sagen, „Damit dieser schon etwas atmen könne.“ Gemeint ist damit, dass der Wein schon einmal etwas Luft aufnimmt, um sich besser zu entfalten. Aber ist dem wirklich so, oder ist es nur ein Ritual?

Wie sieht es also in der Praxis aus?

Wir gehen einmal davon aus, dass die Flasche die üblichen 0,75 Liter enthält. Da die Flasche bis in den Flaschenhals hinein gefüllt ist, bleibt also nach dem Entkorken eine Kontaktfläche mit der Luft, die in etwa einem 5-Cent-Stück entspricht. Diese klitzekleine Fläche soll nun dazu beitragen, den gesamten Inhalt der Flasche so mit Sauerstoff zu versorgen, dass sich der Wein entfaltet. Was also wird passieren? Eher nichts! Die Kontaktfläche ist einfach zu klein, um im Wein im Verlauf von 1 oder 2 Stunden wirklich spürbare, will sagen schmeckbare, Veränderungen hervorzurufen. Vielleicht, wenn Sie den Fleischgang in 2 oder 3 Tagen einzunehmen gedenken. Aber im Verlauf eines halben Abends wird das vorherige Entkorken wenig bis nichts einbringen.

Ist das Vorab-Entkorken einer Flasche also ein sinnentleertes Ritual?

Nicht ganz! Unter bestimmten Umständen kann es tatsächlich sinnvoll sein, die Flasche eine halbe oder gar eine Stunde vor Genuss zu öffnen. Dies ist der Fall bei gereiften Weinen oder sagen wir einfach einmal, alten Flaschen.

Hat eine Flasche mehrere oder gar viele Jahre im Keller zugebracht, so hat sich der Wein von der Luftblase, die sich beim Füllen zwischen Wein und Korken gebildet hat, „ernährt“. Logisch, dass diese Luftblase nicht mehr die frischeste ist und ziemlich muffig riechen kann. Man spricht in diesem Fall von einem sogenannten Lagerbouquet. Keine Sorge, das ist ganz normal und kein Gefahrenfaktor für die wertvolle Flasche. Aber würde man diese frisch entkorkt ausschenken, so könnte sich dieses Lagerbouquet im Duftstrauß des Weines zunächst bemerkbar machen, nach einer Weile verfliegt es aber.

Entkorkt man nun die Flasche einen kleinen Zeitraum vor Genuss, dann kann das Lagerbouquet aus dem Flaschenhals entschwinden, dem kostbaren Nass aber ist nichts passiert, und nach dem Einschenken kann man sich an der ganzen Pracht des feinen Tröpfchens erfreuen.

Auch hier gilt also, einige Dinge beim Umgang mit Wein sind zu Ritualen verkommen, sie können aber unter bestimmten Umständen durchaus sehr sinnvoll sein. Man muss nur wissen, wann.

REDAKTIONSTEAM

Das Redaktionsteam des Wein Magazins besteht aus den Mitarbeitern des Hanseatischen Wein & Sekt Kontors, die in den unterschiedlichsten Bereichen tätig sind. Hier schreiben Wein-Einkäufer, Mitarbeiter des Marketings und studierte Oenologen. Aber auch Kolleginnen und Kollegen, die einfach ganz viel Spaß am Wein haben.