Stellenbosch
Simon van der Stel und der Beginn des Weinbaus in Südafrika
Als Südafrika im 17. Jahrhundert von Niederländern besiedelt wurde, war dies eine wichtige strategische Maßnahme. Die Bucht von Kapstadt war der perfekte Ort, um auf dem Weg von den Niederlanden in die indischen und asiatischen Gebiete zu pausieren und frische Vorräte für die lange Passage an Bord zu nehmen. Die Niederländische Ostindien-Kompanie war damals das mit Abstand größte Speditions-Unternehmen der Welt und hatte über zwei Jahrhunderte hinweg rund 4.700 Schiffe unter Segeln.
Kapstadt und das Hinterland wurden schnell besiedelt, die indigene Bevölkerung vertrieben oder versklavt und das fruchtbare Land urbar gemacht. Weinreben gehörten zu den ersten Pflanzen; denn der Wein diente dazu, auf den Schiffen der Kompanie das Wasser genießbar zu machen bzw. überhaupt als Wasserersatz, und er war deshalb sehr gefragt. Schon der erste Gouverneur Südafrikas, Jan van Riebeeck, ließ ab 1652 erste Weinberge in Constantia, einem Vorort von Kapstadt, pflanzen.
Massiv ausgeweitet wurde der Anbau dann aber vom zweiten Gouverneur, Simon van der Stel. Der besiegte 1677 im dritten Khoikhoi-Niederländischen Krieg den heimischen Stamm, der von den Niederländern auch als Hottentotten bezeichnet wurde, sodass einer Expansion ins Hinterland nichts mehr im Wege stand. 1679 gründete er im Tal des Eerste River eine neue Siedlung, die er Stels Busch nannte, was später zu Stellenbosch abgewandelt wurde. 1683 lebten dort 30 Familien, und bis 1692 waren bereits 233.200 Rebstöcke gepflanzt worden. 1753 waren es bereits mehr als eine Millionen Reben und gegen Ende des 18. Jahrhunderts vier Millionen Reben. Mit der Machtübernahme durch die Engländer setzte sich die Blütezeit fort, das Land prosperierte, und damals wurden die meisten weißen Giebelhäuser errichtet, die der Region heute einen unvergleichlich pittoresken Anblick verleihen.
Die Wende kam in Stellenbosch wie in allen anderen Weinbauregionen mit der Reblaus, die Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur in Europa die meisten Weinberge zerstörte, sondern auch in Südafrika. Stellenbosch hatte das Glück, für reiche Südafrikaner als Wohnsitz attraktiv zu bleiben; denn die weißen Herrschaftshäuser waren sehr begehrt. So überlebten einige der ruhmreichsten Weingüter wie Rustenberg oder Vergelegen aufgrund ihrer Attraktivität als Immobilie.
Vergelegen steht exemplarisch für die Geschichte des Weinbaus in Stellenbosch
Das Weingut Vergelegen – der Name bedeutet so viel wie weit entfernt gelegen – wurde vom Gouverneur Simon van der Stel als Außenposten im Jahr 1685 außerhalb von Stellenbosch in den Bergen gegründet. Simons Sohn Willem Adriaan van der Stel, dritter Gouverneur Südafrikas, erweiterte das Gut um 342 Hektar und ließ eine halbe Millionen Rebstöcke pflanzen – und eine Reihe von Kampferbäumen, die heute noch stehen.
Doch van der Stel setzte damals auf den Konflikt mit den freien Buren, und er verlor. Schon 1706 musste er ins Exil gehen, und der große Besitz von Vergelegen wurde in vier Farmen aufgeteilt. Vergelegen selbst ging durch viele Hände, bevor es 1798 in den Besitz der Familie Theunissen gelangte, die den Besitz wieder auf Vordermann brachte – bis zur Reblauskatastrophe, die alles zerstörte.
1917 wurde Vergelegen schließlich vom Bergbau-Magnaten Sir Lionel Phillips erworben. Der brauchte Jahre, um das Anwesen wieder zu restaurieren, er ersetzte aber den größten Teil der Reben durch eine gemischte Landwirtschaft. Erst 1987, nach der Übernahme durch den Konzern Anglo American Corporation, wurden wieder Reben angepflanzt und das gesamte Anwesen erneut von Grund auf restauriert. Mit Hilfe des Teams von Eric de Rothschild wurde 1992 ein State-of-the-Art-Keller eröffnet.
Seitdem hat sich das Weingut, das auch Museen und Restaurants beherbergt, in die vorderste Reihe der südafrikanischen Weingüter geschoben, dessen Ikonen zweifelsohne der Vergelegen V und der Vergelegen G.V.B. sind, Weine aus Bordelaiser Rebsorten, die genau auf der Grenze von Klassik und Moderne liegen.
Im Zentrum von Stellenbosch liegt die Stadt
Stellenbosch wurde als Siedlung mit wenigen Familien gegründet und verfügt heute über 155.000 Einwohner. Der Ort ist das Zentrum eines Bezirks, in dem der Weinbau seit dem Ende der Apartheid, also seit Beginn der 1990er-Jahre wieder boomt. Außer Wein findet nur noch wenig andere Landwirtschaft statt. Stellenbosch ist nicht nur wegen des Renommees seiner Weine die Wein-Hauptstadt des Landes.
Schon 1917 wurde an der University of Stellenbosch das Department of Viticulture and Enology gegründet, eine Ausbildungs- und Forschungsanstalt, die mit der deutschen Hochschule Geisenheim zu vergleichen ist. 1995 hat man das mittlerweile renommierte Institut für Weinbautechnologie gegründet, etwas außerhalb der Stadt liegt das Cape Institute for Agricultural Training Elsenburg, die zweiterfolgreichste Ausbildungsstätte für südafrikanische Winzer.
Die KWV, 1918 als Kooperative namens Koöperatieve Wijnbouwers Vereniging van Zuid-Afrika gegründet, vermarktet heute in über 100 Ländern einen großen Teil der südafrikanischen Wein- und Branntweinproduktion. Auch wenn der Hauptsitz in Paarl liegt, prägt die KWV auch Stellenbosch in besonderer Weise.
Aus der Stadt in die Hügel – das Terroir von Stellenbosch
Die Vergrößerung der Stadt hat im Laufe der Zeit dazu geführt, dass viele Weinberge der Expansion weichen mussten. Das hatte allerdings vor allem Vorteile. Denn so waren die Weingüter gezwungen, von den satten Ebenen in die kargeren Hügel zu gehen – und das fördert die Qualität des Weins. Die unterschiedliche Ausrichtung der Hänge liefert den verschiedenen, vor allem den französischen Rebsorten mehr Schutz vor zu viel Sonneneinstrahlung, aber auch vor den teils kühlen Meeresbrisen aus der nahe gelegenen False Bay.
Der Terroir-Gedanke ist allerdings noch recht neu im Denken der südafrikanischen Winzer. Die Überlegung, dass die unterschiedlichen Kleinklimata und die Diversität der Böden Auswirkungen auf den Wein haben, ist vor allem eine europäische Idee, die sich jedoch zunehmend auch in den überseeischen Anbaugebieten durchsetzt. Gerade die junge Generation von Weinmachern untersucht die Böden und richtet nach den Ergebnissen der Bodenproben auch den Anbau der unterschiedlichen Sorten aus.
Vorherrschend ist der Sandstein des Tafelbergs und der Stellenbosch Mountains, des Helderbergs und Simonsbergs, in den sich aber ebenso brauner und roter Lehm, Kalkstein und Granit sowie Schieferverwitterungsgestein mischen. Bis heute dominiert der Cabernet Sauvignon mit knapp 3.000 Hektar vor Sauvignon blanc mit 2.000 Hektar, Syrah mit rund 1.800 Hektar sowie Merlot, Chenin blanc und Chardonnay.
Kanonkop und der beste Pinotage Südafrikas
Eine Rebsorte, die in Stellenbosch - im Gegensatz zum Rest von Südafrika - eine fast untergeordnete Rolle einnimmt, ist der Pinotage. Pinotage ist die bewusst herbeigeführte Kreuzung der Sorten Pinot noir und Cinsault, die Abraham Isak Perold 1924 an der Universität von Stellenbosch gezüchtet hat. Der Pinotage ist die einzige rein südafrikanische Rebsorte und findet Jahr für Jahr ihren wohl schönsten Ausdruck in den Weinen von Kanonkop, zu deutsch Kanonenhügel.
Im Gegensatz zu anderen architektonisch interessanten Weingütern ist Kanonkop völlig unspektakulär. Der einst größere Besitz wurde im frühen 20. Jahrhundert geteilt. Das traditionelle Herrenhaus, das einst mit zum Besitz zählte, gehört heute zum Nachbarweingut Uitkyk, während man sich bei Kanonkop mit weniger spektakulärer Architektur zufrieden gibt. Der Name Kanonkop bezieht sich auf die Kanone, die in den frühen Jahren der Kolonialisierung auf dem Hügel neben dem Anwesen stand und gezündet wurde, wenn Schiffe der Ostindien-Kompagnie in Sichtweite kamen.
Den Aufstieg zu einem der Top-Weingüter Südafrikas nahm Kanonkop unter der Leitung von Beyers Truter. Der kam im Jahr 1980 und setzte neben den Bordeaux-Cuvées vor allem auf reinsortige Pinotage. Er wollte beweisen, dass man es mit Pinotage in die Weltspitze schaffen kann – und er war damit erfolgreich. Er konnte dabei auf Anlagen zurückgreifen, die bereits Mitte des 20. Jahrhunderts gepflanzt worden waren. Er nahm der Rebsorte ihre leicht teerigen, oft an verbranntes Gummi erinnernden Aromen und machte aus dem Pinotage einen kräftigen und gleichzeitig eleganten Wein.
Truter war ein Rotwein-Fan, und so wurden unter seiner Leitung die gesamten 100 Hektar mit roten Reben bestockt. Das ist bis heute so. Daher gibt es neben den Ikonen Pinotage Black Label und der Bordeaux-Cuvée namens Paul Sauer – er war der erste Besitzer des Weinguts, das noch immer dieser Familie gehört – sowie einigen weiteren Blends lediglich einen Rosé als Zugeständnis an Frische und sommerlichen Weingenuss.
Die Wards – die einzelnen Unterappellationen in Stellenbosch
Die rund 18.000 Hektar Weinberge in Stellenbosch sind in sieben Unterdistrikte, in sogenannte Wards unterteilt. Der Simonsberg-Stellenbosch-Ward ist der am weitesten nördlich gelegene Distrikt, der sich an die südwestlich gelegenen Hänge des Simonsbergs schmiegt.
Dort findet man einige berühmte Weingüter wie Kanonkop oder Rustenberg. Die Böden sind meist von rötlich braunem Lehm und Granitverwitterungsgestein geprägt. Cabernet Sauvignon dominiert hier vor Sauvignon blanc, Merlot, Syrah, Chardonnay und Pinotage. Etwas weiter südlich liegt der Ward Banghoek, was so viel wie bange machende oder gruselige Ecke heißt, da der Ort früher von wilden Tieren bewohnt war.
Banghoek ist ein vergleichsweise junges Anbaugebiet, zeigt aber die Zukunft von Stellenbosch. Die Niederschläge dieses von Granit geprägten Gebietes sind hier höher, und in den Höhenlagen ist es kühler – ein großer Vorteil in Zeiten der Klimaveränderungen, die gerade auch im südafrikanischen Weinbau deutlich zu spüren sind. Südöstlich von Stellenbosch liegt das Jonkershoek Valley mit dem historischen Anwesen Lanzerac.
Neben diesem gibt es eine Handvoll weiterer hervorragender Weingüter wie etwa Stark-Condé, die ebenfalls von dem recht hohen Niederschlag – rund 1.000 Millimeter pro Jahr – sowie von den sehr unterschiedlichen Böden profitieren.
Grundsätzlich ist auch hier der Granitverwitterungsboden dominant, der sich in den Hügeln bis auf 600 Meter hochzieht. Die Enge des Tals sorgt für weniger Sonnenstunden und für mehr Eleganz und Frische in der Frucht. Weiter südlich findet man das sogenannte Golden Triangle von Stellenbosch mit den Stellenbosch Mountains im Westen, dem Helderberg im Süden und der begrenzenden Landstraße R44. Hier befinden sich einige der ältesten Weingüter Südafrikas – Stellenzicht, Rust en Vrede, Alto – sowie einige der jungen, erfolgreichen Weingüter wie der Vriesenhof.
Die nach Westen ausgerichteten Ausläufer des Stellenbosch Mountain bestehen vor allem aus Schiefer, während die nördlichen Hänge des Helderbergs den üblicheren Granit und Sandstein aufweisen. Die False Bay ist hier nur noch rund zehn Kilometer vom Helderberg entfernt, und die Südwestwinde können sowohl an den exponierten als auch an den höher gelegenen Hängen kühl sein.
Die Weingärten reichen von der Talsohle bis hoch auf den Berg – bis auf 650 Meter. Wie in so vielen Teilen von Stellenbosch ermöglichen die Faltungen und Hänge der Berge eine große Vielfalt. Die Höhe kommt vor allem dem Chardonnay zugute und ebenso dem sehr präsenten Syrah. Im Westen und Südwesten der Stadt Somerset West findet man eine kleine Gruppe alteingesessener Weingüter, die teils noch aus dem Besitz von Adriaan van der Stel hervorgegangen sind.
Allen voran ist das das Weingut Vergelegen zu nennen, aber auch das benachbarte Lourensford sollte man nicht übersehen. Die Weinberge liegen großenteils auf Schieferverwitterungsböden. Dort entstehen einige der großen Rotweine von Stellenbosch.
Unmittelbar östlich der Stadt Stellenbosch befinden sich zwei kleine Wards. Der Papegaaiberg ist der einzige Ward, wo weiße Trauben wie Chardonnay, Chenin blanc und Sauvignon blanc vorherrschen. Im Devon Valley dagegen findet man die typische Anpflanzung mit Cabernet an der Spitze. Bedeutend ist schließlich noch der Stellenboschkloof auf der Südseite der Bottelary Hills und unweit der Polkadraai Hills.
Hier entlang führte die erste Straße von Kapstadt nach Stellenbosch. Die gelben bis rötlich braunen Böden haben einen guten Wasserabzug und sind durchzogen von Granit. Deshalb entstehen hier besonders gute Chenin blancs und Chardonnays.
Geprägt von französischen Rebsorten, entwickeln sich in den einzelnen Unterappellationen, den sogenannten Wards, immer feinere und komplexere Weine. Der Weinbau hat in denen letzten beiden Jahrzehnten einen enormen Aufschwung genommen, und die Verlagerung der Weinberge in die Hügel war der richtige Weg, um in die Zukunft zu gehen. Es herrscht bis heute Aufbruchsstimmung in Stellenbosch, und an der Tatsache, dass dort das Herz des südafrikanischen Weinbaus schlägt, hat sich nichts geändert.