Eine der bekanntesten Szenen des bayerischen Kabarettisten Gerhard Polt ist jene, wo er auf seinen Freund Rudi Löhlein wartet und eine Literflasche Südtiroler Bauernfeind öffnet. Für ihn war der fast roséfarbene Rotwein, der damals in den 1970er-Jahren schon mit Schraubverschluss versehen war, ein »Spitzenwein«, ja ein »Jahrhundertjahrgang«. Das Beste sei, befand er, dass der Wein in Deutschland abgefüllt sei; denn bei den Italienern wisse man ja nie. In dem Sketch wurden natürlich bewusst Vorbehalte thematisiert, die es damals oft auch zu Recht gegen Südtiroler Weine gab. Damit stand Südtirol aber nicht allein; denn ähnlich schlichte Weine kamen in Bastflaschen aus dem Chianti, als Edelzwicker aus dem Elsass, und Deutschland war mit seinem restsüßen Müller-Thurgau voll von solchen Weinen.
Seitdem hat sich die Weinwelt in Südtirol komplett verändert. Zwar gibt es noch den hellen Rotwein, der mit dem württembergischen Trollinger (von Tirolinger) eng verwandt ist, doch die Qualitäten dieses Jausenweins, der ideal zum Butterbrot mit Tiroler Schinken passt, ist heute eine völlig andere. Die Südtiroler Winzer, die sich zum großen Teil zu Winzergenossenschaften zusammengeschlossen haben, da sie selbst meist nur über einzelne Hektar verfügen, haben schon vor längerer Zeit voll auf Qualität statt auf Quantität gesetzt und zudem auch in hohem Maße auf die für Südtirol typischen Rebsorten. Auch wenn Südtirol aufgrund des kühlen Alpenklimas vor allem ein Weißweinland ist (rund 60 %), gedeihen dort auch manche roten Sorten hervorragend.
Der Vernatsch zeigt dabei deutlich, wie sich die Weinwelt in Südtirol verändert hat. Diese Sorte, die früher in Doppelliter-Schraubflaschen verramscht wurde, ist heute ein Terroirwein, der hervorragend zeigt, wie unterschiedlich die Rebsorte in verschiedenen Klimazonen und auf diversen Bodentypen gedeihen kann. So gibt es den Vernatsch von hell und blass bis rubinrot, von leicht bis kräftig und von fruchtig bis tief würzig. Der feine Mandelton ist allerdings immer genauso ein Merkmal wie die Süffigkeit dieses Weins, der oft auch als Kalterer oder Kalterersee Auslese, St. Magdalener oder Grauvernatsch angeboten wird und neben zu Tiroler Speck auch zu mediterraner Küche oder Sushi passt.
Doch das Klima und die Menge an unterschiedlichen Böden kommen nicht nur dem süffigen Vernatsch zugute, sondern ebenso dem dunkel würzigen Lagrein. Der stammt wohl ursprünglich aus dem benachbarten Trentino, genauer gesagt aus dem Val Lagrina, woher er seinen Namen hat. Doch in Südtirol hat sich die Rebsorte immer wohlgefühlt und ist dort die wichtigste rote. Der Lagrein ist ein sehr eigenständiger, intensiver Wein und mit seiner oftmals fast violett-schwarzen Farbe das genaue Gegenteil des Vernatsch. Die Gerbstoffe sind nicht allzu mächtig, aber durchaus kernig. Mit den typischen Noten von Unterholz und Waldbeeren sowie der alpentypischen Säure ist das ein angenehm bodenständiger Wein und ein hervorragender Essensbegleiter.
Wer nach Eleganz sucht beim Südtiroler Rotwein, sollte sich vor allem nach dem Pinot nero umschauen, der bei den deutschsprachigen Winzern meist Blauburgunder genannt wird. Zusammen mit dem Merlot ist der Pinot nero die edelste rote Sorte und erreicht hier dank des einzigartigen Terroirs eine wunderbare Eigenständigkeit. Ein idealtypischer Südtiroler Blauburgunder ist elegant in der Textur und markant im Gerbstoff, duftet nach roten und dunklen Beeren und trägt ebenfalls die Frische in sich.
Apropos Burgunder… Es gibt wohl kaum ein anderes Anbaugebiet, in dem der Weißburgunder zu einem solch einzigartigen Charakter gereift ist wie in Südtirol. Natürlich es gibt hervorragende Exemplare in Deutschland und Österreich, doch vor allem rund um den Ort Terlan reifen denkwürdige Trauben. Die unbestrittenen Meister sind die Winzer der Cantina Terlan, rund um Mastermind Rudi Kofler. Dort liegen die Weißburgunder oft ein Jahrzehnt oder länger in den Fässern, bevor sie überhaupt in den Markt gelangen. Ebenfalls nicht mehr aus Südtirol wegzudenken ist der Sauvignon blanc, der auch das Alpenklima und die oft von Kalk und Vulkangestein geprägten Böden liebt. Während der Sauvignon blanc von der Loire eher von Stachelbeeren und grünen Noten geprägt ist und der neuseeländische von tropischen Noten, erinnert der Südtiroler Sauvignon oftmals an weiße Früchte, Kräuter und Blüten, ist im Kern jedoch immer rebsortentypisch. Gleichfalls vor langer Zeit zugereist und doch zutiefst in Südtirol verwurzelt ist der Traminer. Der hat sich wohl vor langer Zeit in einem der Täler zwischen dem Schweizer und dem französischen Jura entwickelt, ist aber längst solch ein Tiroler Urgestein, dass er sogar den Namen des Südtiroler Ortes Tramin trägt. Der Traminer und die deutlich duftigere Variante Gewürztraminer sind ein wichtiges Markenzeichen des Südtiroler Weinbaus, aber diese Weine sind im eigenen Land so beliebt, dass sie nur selten das Land verlassen.