Reblaus

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Reblaus
Vermutlich wirkt(e) sich kein anderer Parasit in so hohem Maße schädlich auf die europäische Weinproduktion aus wie die Reblaus (Daktulosphaira vitifoliae oder Viteus vitifoliae). Das winzige gelbe Insekt aus der Familie der Zwergläuse (Phylloxeridae) befällt ausschließlich die Wurzeln von Rebstöcken, die in der Folge absterben. Noch Jahrzehnte nach ihrem ersten Auftreten in Europa gab es kein wirksames Gegenmittel.  

Das erste Land, das unter den Folgen der Reblaus-Invasion aus Nordamerika litt, war ausgerechnet Frankreich, wo sich der Weinbau eben erst von einer anderen großen Plage erholte, dem Echten Mehltau. Ebenso wie der Falsche Mehltau und auch die Schwarzfäule war dieser mit zu Kreuzungszwecken verschifften amerikanischen Rebstöcken nach Europa gelangt. Phylloxera nahm denselben Weg.  

Allein in Frankreich fielen von 1847 an beinahe 2,5 Millionen Hektar Weinbaufläche der Reblaus zum Opfer, wobei der Schädling keinen Unterschied zwischen Grands Crus und simplen Landweinen machte. Die französische Weinindustrie entging nur knapp ihrer völligen Zerstörung. Ähnliches erlebten etwas später die Winzer in Kalifornien, als sie mit an Edelreben aus Europa reimportierten Phylloxera-Populationen zu kämpfen hatten. Auf dem alten Kontinent griff die Reblaus rasch auf zahllose Weinbaugebiete über. Lediglich Regionen, in denen ausschließlich autochthone Reben angebaut wurden - zum Beispiel in Teilen Portugals und Zyperns -, blieben von der Reblauskatastrophe verschont, ebenso wie Rebstöcke, die in Sandboden wurzelten (wie im französischen Midi oder in weiten Teilen Ungarns).  

Nach vielen vergeblichen Bemühungen, der Phylloxera beizukommen, experimentierten die Önologen erfolgreich mit Kreuzungen aus amerikanischen widerstandsfähigen und klassischen europäischen Reben. In geschmacklicher Hinsicht fielen die Ergebnisse jedoch zutiefst unbefriedigend aus. Von 1869 an schließlich setzte sich die von dem Weingutbesitzer Gaston Bazille vorgeschlagene Methode durch, europäische Edelreiser (Vitis vinifera) auf Wurzelstöcke von reblausresistenten Amerikaner-Reben (unter anderem Vitis riparia, Vitis berlandieri oder Vitis rupestris) aufzupfropfen.  

Die einzige großflächig wirksame chemische Bekämpfungsmethode stellte die aufwendige und kostspielige Bodeninjektion mit Schwefelkohlenstoff dar. Wegen des giftigen Grundmaterials ist sie seit 1997 verboten. Die meisten Weingärten der Welt bestehen heute aus Rebstöcken, die auf einer standortadäquaten Unterlagsrebe fußen. Völlig gebannt ist die Gefahr durch Phylloxera noch immer nicht: In den 1980er Jahren zerstörte die Reblaus rund 25.000 Hektar Anbaufläche in Kalifornien, die mit einem nicht ausreichend resistenten Wurzeltyp bepflanzt waren.