Sardinien
Sonnenverwöhntes Weinland im Mittelmeer
Das Weinanbaugebiet Sardinien wird von azurblauem Meer und ursprünglichen Naturlandschaften gerahmt, in denen sich breit angelegte Weingärten auf einer Gesamtfläche von gut 40.000 Hektar erstrecken. Das ist die achtgrößte Rebfläche Italiens. Südlich im Mittelmeer gelegen, sind die Insel und ihre Reben einer Hitze- und Lichtintensität ausgesetzt, wie man sie auf dem italienischen Festland nicht findet. Die Temperaturen sind aber sehr unterschiedlich. Daher werden im kühleren Norden Sardiniens verstärkt Weißweine wie der Vermentino di Gallura angebaut, die sich durch einen hohen Säuregehalt und einen fruchtig-frischen Geschmack auszeichnen. Im heißen Westen und Süden entstehen vor allem die sardischen Rotweine. Auch die Produktion schwerer, süßer Dessertweine hat hier eine lange Tradition. Wegen der großen Trockenheit bewässern die Winzer insbesondere die Weingärten im Süden Sardiniens während der Sommermonate künstlich, was die hohe Qualität der Weine aber nicht mindert.Pro Jahr produzieren die sardischen Winzer, die weitgehend in großen Genossenschaften organisiert sind, im Schnitt etwa eine Million Hektoliter Wein. Das Verhältnis zwischen Rotweinen und Weißweinen liegt bei 2:1. Der Weinbau hat auf Sardinien einen ebenso hohen Stellenwert wie in vielen anderen Regionen Südeuropas. Insgesamt 18 DOC/DOCG-Zonen und 15 IGT/IGP-Bereiche verteilen sich nahezu über die gesamte Insel – von der nördlichen Gallura-Region über die nordwestliche Alghero-Ebene, das Oristanese im Westen und die sanft hügelige Campidano-Ebene im Süden bis hin zum Anbaugebiet Nuorese im Osten.Vom Massenproduzenten zur multikulturellen Qualitätsregion
Schon im 9. Jahrhundert v. Chr. betrieben die Sarden die Kunst des Weinbaus, die sie von den Phöniziern erlernten. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte siedelten Karthager, Römer, Vandalen, Byzantiner, Araber und Katalanen auf der Insel. Sie alle hinterließen ihr Erbe in der sardischen Weinkultur und prägten sie bis in die Gegenwart. Insbesondere die Spanier brachten ab dem 13. Jahrhundert viele heimische Rebsorten nach Sardinien, aus denen früher größtenteils schwere, alkoholstarke Dessertweine, ähnlich dem Sherry oder Portwein, hergestellt wurden. Noch heute ist der spanische Einfluss allgegenwärtig. Zum einen, weil auf Sardinien immer noch süße Likörweine mit viel Alkohol produziert werden. Und zum anderen, weil es sich bei der wichtigsten Rotweinsorte der Insel, dem Cannonau, um keine Geringere handelt als die urspanische Rebsorte Garnacha Tinta. Bis zu Beginn der 1950er Jahre lag der sardische Weinanbau in den Händen der Bauern, die ihn als Teil ihrer Hofbewirtschaftung betrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg förderte die Zentralregierung in Rom den Weinbau auf der Insel mit üppigen Subventionen. Daraufhin wuchs die Rebfläche auf Sardinien auf 70.000 Hektar an. Die meisten Weingüter, die heute auf der Insel angesiedelt sind, gründeten sich in dieser Zeit. Ende der 1970er Jahre produzierten die zahlreichen subventionierten Betriebe im Jahr mehr als 4,5 Millionen Hektoliter Wein. Dabei handelte es sich allerdings in erster Linie um Verschnittweine, die von Weingütern auf dem italienischen Festland und in Frankreich zur Farbintensivierung der eigenen Weine genutzt wurden. Denn die sardischen Rotweine, oft als Vini Neri (schwarze Weine) bezeichnet, waren als Cuvéepartner für farbkräftigere Weine überaus populär. Als der Markt für Massenwein schrumpfte, bemühte sich die EU um eine Verringerung der Überproduktion und strich die Subventionen. Als Folge reduzierte sich die Rebfläche auf Sardinien um nahezu die Hälfte. Heute stehen nur noch gut 40.000 Hektar unter Reben. Der Großteil davon sind Tafeltrauben, sodass im Jahr nur noch knapp eine Million Hektoliter Wein erzeugt werden. Für die sardische Weinwirtschaft bedeuteten die Kürzungen der Subventionen und das Austrocknen des Massenmarktes, dass sie sich in kürzester Zeit komplett neu strukturieren, neu erfinden musste. Es galt, sich vom Massenproduzenten zu einer Weinregion zu mausern, die Klasse statt Masse anbot und mit dem italienischen Festland mithalten konnte. Die sardischen Winzer nahmen die Herausforderung an und meisterten sie: Die ersten auf Flasche gezogenen Qualitätsweine aus Sardinien kamen Mitte der 1980er Jahre auf den Markt. Damit hat wohl kaum eine Weinregion diesen Wandel schneller vollzogen als das italienische Eiland.
Sardischen Weinspezialitäten, die man nicht verpassen sollte
Da der Weinanbau auf Sardinien über knapp drei Jahrtausende hinweg von verschiedenen Kulturen geprägt wurde, gehört die Region zu den stilistisch vielfältigsten und sortenreichsten Italiens. Kenner der italienischen Weinszene werden hier auf Neuartiges treffen, auf Weine, die sich von denen im übrigen Italien unterscheiden. Dies liegt unter anderem daran, dass auf Sardinien autochthone, also einheimische Rebsorten wachsen, die es andernorts in Italien kaum oder gar nicht gibt. Nuragus, Torbato und Monica sind einige der klanghaften Namen, die sich in den Weinregalen Sardiniens entdecken lassen. Zu den heimischen Sorten gesellen sich Trauben, die Siedler im Laufe der Jahrtausende mit auf die Insel brachten. Auch sie bilden die Basis für die heutigen sardischen Weinspezialitäten. Das beste Bespiel hierfür ist zweifellos der Cannonau. Die rote Rebsorte stammt aus Spanien, wo sie als Garnacha Tinta bekannt ist. Zwar wird der Garnacha Tinta unter diversen Synonymen in Europa und Übersee nahezu überall angebaut, wo es Weinanbau gibt. Wenn man von zu vernachlässigenden Beständen in Venetien absieht, hat Sardinien die Sorte in Italien aber exklusiv. Unter dem Namen Cannonau gedeiht sie hier auf mehr als 6.000 Hektar, die sich über die gesamte Insel erstrecken. Die Sarden keltern aus ihr den DOC-Wein Cannonau die Sardegna, den wohl bekanntesten Wein Sardiniens. Es gibt ihn als Rotwein, Rosé und Likörwein. Die besten Cannonau-Weine haben eine rubin- bis orangerote Farbe und eine starke Struktur mit viel Alkohol, weichem Tannin, spürbarer Säure, einem feinen Duft von Kirsch- oder Pflaumenkonfitüre. Sie müssen zu mindestens 85 Prozent die Sorte Cannonau enthalten. Zu 15 Prozent dürfen andere anerkannten Sorten beigefügt werden.
Im Rotweinbereich genießen neben dem Cannonau die Sorten Monica, Carignano und Bovale auf Sardinien die größte Wertschätzung. Die duftbetonte, autochthone Monica wird reinsortig unter den DOC-Namen Monica di Cagliari oder Monica di Sardegna abgefüllt und wächst wie der Canonau überall auf Sardinien. Dunkel in der Farbe und rund und voll im
Aroma stellt auch sie eine sardische Besonderheit dar, die wie der Cannonau perfekt mit der kräftigen Inselküche harmoniert. Die Bovale wird meist mit anderen Sorten verschnitten, neben Cannonau und Carignano auch mit Merlot und Syrah. Internationale Rebsorten sind inzwischen überall auf Sardinien präsent und flankieren in vielen Spitzenweinen die einheimischen Trauben. So bilden zum Beispiel Cannonau und Cabernet Sauvignon ein erfolgreiches Paar. Der Weißweinanbau macht auf Sardinien mit einem Drittel den geringeren Anteil der Weinproduktion aus. Die typischste Weißweinsorte ist der Vermentino. Er ist, wie der Cannonau, auf der gesamten Insel verbreitet und ergibt blumig-fruchtige Weine mit weichem Schmelz und moderater Säure. Der beste Vermentino kommt aus der Provinz Gallura im Norden Sardiniens, wo die DOC Vermentino di Gallura liegt. Zu den heimischen weißen Rebsorten Sardiniens gehören auch der Torbato und der Nuragus. Torbato wird im Norden in der Region Sassari und rund um Alghero angebaut. Bei den Besuchern Sardiniens ist er weniger bekannt, verdient aber durchaus Aufmerksamkeit. Goldgelb, mit schönem Duft und fruchtigen Aromen, ist der elegante Wein ein wunderbarer Begleiter zu Fisch und zur leichten sommerlichen Küche. Die Rebsorte Nuragus hat ebenfalls eine lange Tradition auf Sardinien. Ihren Namen hat sie von den Nuraghi, jenen prähistorische steinernen Turmbauten, die die Ur-Sarden vor mehr als 3.000 Jahren auf Sardinien errichteten. Angebaut wird der Nuragus im Süden der Insel und angeboten als Nuragus di Cagliari.
Italienische Kulinarik und karibisches Flair
Karibikähnliche Strände, smaragdgrünes Wasser, urwüchsige Korkeichenwälder und prähistorische Steinmonumente – die sardische Landschaft ist ebenso vielfältig und faszinierend wie ihre Wein- und Esskultur. Im Inland ist Sardinien von bergigen, mal sanften, mal rauhen Naturlandschaften geprägt. Wer das Wandern und die Ruhe liebt, kommt hier auf seine Kosten. Zum Beispiel bei einer Entdeckungstour rund um den Gennargentu, dem größten Gebirgszug Sardiniens. Hier bestimmt die Natur den Rhythmus und sorgt für Entschleunigung. Neben malerischen Landschaften weiß die Gegend mit einer artenreichen Fauna und den antiken steinernen Nuraghen zu beeindrucken, die vom 15. bis zum 6. Jh. v. Chr. von den Ur-Sarden errichtet wurden. An der Küste Sardiniens stehlen traumhafte Buchten und Badestrände allem anderen die Schau. Wer Badeurlaub auf Sardinien machen möchte, hat die Qual der Wahl. Ob die berühmte Costa Smeralda, der von Kalksteinklippen gerahmte Golfo di Orosei, das einzigartige Insel-Archipel La Maddalena oder die fast zehn Kilometer lange Costa Rei – Sardinien garantiert allerorts Italienurlaub mit Karibikflair.Italientypisch spielt gute Essen auf Sardinien eine überaus wichtige Rolle. Bauernhöfe verkaufen selbst produzierten Schafskäse, Salami und Cannonau-Rotwein. In den Bäckereien und Konditoreien bekommt man verführerisches Gebäck, während an den Küsten das Angebot an frischem Fisch und Meeresfrüchten groß ist. Die Wurzeln der kulinarischen sardischen Tradition reichen in die Zeit zurück, in der Hirten und Bauern das Inland der Insel bewohnten. Damals fürchteten die Sarden das Meer, das keinen Schutz vor den Angriffen immer neuer Siedler bot. Daher mieden sie die Küsten und zogen es vor, im sicheren Landesinnern Landwirtschaft zu betreiben oder als Hirten mit ihren Schafherden auf den Weiden zu bleiben. Sie brauchten einfache und nahrhafte Speisen, die sich bequem transportieren ließen und hohen wie niedrigen Temperaturen standhielten. Aus diesem Grund gehören zu den Spezialitäten der sardischen Küche viele schmackhafte gereifte Käsesorten, getrocknete Wurstwaren und das berühmte pane carasau, köstliche, hauchdünne Brotfladen. Ein typisches sardisches Gericht, bei dem das carasau Verwendungfindet, ist das einstige Arme-Leute-Essen “Pani Frattau”. Hierfür werden fünf bis sechs Fladen carasau mit Tomatensoße übereinandergeschichtet und dann mit einem aufgeschlagenen Ei darüber in der Pfanne gebraten.
Viele Gegenden Sardiniens haben ihre eigenen kulinarischen Kreationen. Im Basso Campidano zum Beispiel wird die fregola, eine Teigwarenspezialität aus kleinen Grießkügelchen, mit Muscheln und Meeresfrüchten zubereitet. Die Lorighittas, eine aus zwei gewundenen Teigfäden geformte Pasta-Art, stammt aus der Gegend von Oristano und wird traditionell mit Tomatensoße und frischer Bratwurst serviert. Auch bei den Malloreddus handelt es sich um Nudeln aus Hartweizengries. Sie sind sehr klein und werden ebenfalls gern mit Tomatensauce, Safran und Salsiccia kombiniert. Einige sardische Klassiker findet man auf der gesamten Insel. Zum Beispiel die panadas, Pasteten mit Fleisch-, Fisch- oder Gemüsefüllung. Nicht wegzudenken aus der Küche Sardiniens ist außerdem das Spanferkel (Porcheddu). In Restaurants und bei nahezu jedem festlichen Anlass drehen sich auf Sardinien die Ferkel über dem offenen Feuer. Somit kommt kaum ein Haus oder Ferienhaus ohne riesigen Grill im Garten aus. Heute hat sich die Küche Sardiniens natürlich auch um die Gerichte der Fischer, also um die zahlreichen mediterranen Meeresspezialitäten erweitert. Nicht verpassen sollte man auf der Sonneninsel außerdem die süßen Köstlichkeiten. Zu den häufigsten Leckereien gehören die Formagielle oder Pardule. Dabei handelt es sich um eine Art Mini-Käsekuchen, die mit Zitrone, Orange und/oder Safran gebacken werden und wunderbar leicht, frisch und luftig daherkommen. Ebenfalls sehr beliebt sind Dolci Sardo – sardische Süssigkeiten –, die man einfach probiert haben muss. Sie kommen unseren Plätzchen recht nahe, sind aber oft so kunstvoll und bunt verziert, dass sie fast zu schade zum Essen sind.