Hermitage AOP
Linkes Ufer – rechts auf der Karte
Hermitage liegt wie auch das sich nördlich anschließende Crozes-Hermitage am linken Ufer der Rhône, orographisch gesehen in Fließrichtung der Rhône. Da diese in Richtung Süden fließt, findet sich die Appellation auf der Landkarte also rechts der Rhône.
Ihr Klima wird im Gegensatz zur deutlich weiter nördlich gelegenen Côte-Rôtie neben den kontinentalen Einflüssen auch immer wieder von mediterranen Einflüssen geprägt, die für regelmäßige Niederschläge sorgen. Hinzu kommt ein einmaliges Mikroklima; denn der namengebende Hügel befindet sich an einer Flussbiegung, sodass die an ihm liegenden Weingärten genau in Richtung Süden ausgerichtet sind.
Hermitage – ein Name, der vieles bezeichnet
Der Name Hermitage bezeichnet sowohl die Appellation als auch den Berg, auf dessen Hängen die Weine wachsen. Entstanden ist der Berg während der Eiszeit – und trotz seiner geringen Größe verfügt er über ein hohes Maß an unterschiedlichen geologischen Strukturen: zu Lehm verwitterter Granit findet sich an der Westflanke, im größeren Osten dominiert Geröll aus Sand und Kalkstein.
Am Fuße des Hanges bestimmen eiszeitliche Sedimente das Bild, seine höchsten Stellen sind dagegen von Löss bedeckt. Diese Vielfalt an Böden trägt sicherlich entscheidend zur hohen Komplexität und der extremen Langlebigkeit klassischer Hermitage-Weine bei.
So hoch die Varianz an Böden auch ist, so überschaubar ist die Zahl der zugelassenen Rebsorten der Appellation. Drei verschiedene sind es: Syrah als einzige rote Rebsorte, dazu als weiße Rebsorten Marsanne und – deutlich weniger im Anbau – Roussanne.
Die Trauben der weißen Sorten werden separat gekeltert, können aber – auch anderenorts an der Rhône durchaus nicht unüblich – mit bis zu 15 % Eingang in die Rotweine finden. Haupt- und Leitrebsorte ist eindeutig der Syrah, und zwar so sehr, dass in Australien für diese Rebsorte zuweilen auch die Bezeichnung Hermitage gebraucht wird – wie beispielsweise beim unbestritten größten Wein Australiens, dem Grange.
Lage, Lage, Lage?
Seit der Gründung der Appellation Hermitage Contrôlée im Jahre 1937 sind ihre Grenzen unverändert geblieben. Lange Zeit war ein klassischer Hermitage stets eine Cuvée aus unterschiedlichen Einzellagen. Die Traditionalisten unter den Erzeugern der Appellation setzen auch heute nach wie vor auf den Verschnitt verschiedener Lagen zur Förderung der Ausgewogenheit und zum Erreichen einer möglichst hohen Komplexität.
Beispiele für diese Strategie sind die Weine von Jean-Louis Chave, mit einer Ausnahme auch die von Jaboulet oder die Weine der Winzergenossenschaft von Tain-l’Hermitage.
Seit Ende der 80er-Jahre aber hat sich daneben zunehmend eine zweite Weinbauphilosophie etabliert: Modernisten vinifizieren geeignete Spitzenlagen getrennt, um deren teils atemberaubender Qualität möglichst viel Raum zu lassen und den Charakter des jeweiligen Terroirs so klar und eindeutig wie irgend möglich herauszuarbeiten. Beispiele für solche Einzellagen-Hermitage sind der Le Méal von Bernard Faurie, der Les Bessards von Delas oder der ebenfalls aus dieser Lage stammende Le Pavillon von Jaboulet.
Welcher Strategie die Erzeuger auch immer folgen: Es werden immer Weine der absoluten Spitzenklasse erzeugt. Die vielleicht besten Belege dafür sind der aus der Einzellage stammende Le Pavillon und die legendäre Cuvée La Chapelle – beide von Jaboulet.
Zwei unterschiedliche Strategien eines Erzeugers, die beide mehrfach vom amerikanischen Weinkritiker-Papst Robert Parker mit 100 von 100 möglichen Punkten bewertet wurden.
Die wichtigsten Lagen in Hermitage
Der Master-Sommelier Fernando Beteta listet insgesamt 20 verschiedene Einzellagen auf. Es sind Les Grandes Vignes (auch Gros des Vignes), L’Hermite, Varogne, Les Vercandières, Les Bessards, Les Diognières, Les Diognières et Torras, Les Beaumes, Le Méal, Les Murets, La Croix, Péléat, Les Rocoules, La Pierelle, Les Greffieux, Plantiers, Maison Blanche, L’Homme und Torras et las Garennes (früher Les Signoux) auf. Einige dieser Wingerte gehören mit zu den steilsten Europas, viele sind gegen ein eventuelles Abrutschen mit Kalksteinmauern gesichert.
Als die Besten unter den Hermitage-Terroirs gelten für Rotweine die beiden im Abschnitt zuvor Genannten: zum einen die Steillage Les Bessards, deren Granitböden kraftvolle und ausgesprochen langlebige Rotweine hervorbringen, zum anderen Le Méal, ideal gen Süden ausgerichtet mit einem hohen Anteil von Kiesel und Sand und so für feinere hochkomplexe Weine sorgend.
Als ausgesprochene Spitzenlage für weiße Hermitage ist wegen ihres für Weißweine besonders geeigneten, hoch kalkhaltigen Lössbodens L’Hermite zu nennen. Aber auch die Kiesel- und Sandböden von Les Rocoules verfügen über das Terroir, um hervorragende Weißweine entstehen zu lassen.
Weißweine aus dem Hermitage
Mit rund 75 % Anteil ist Hermitage ein ausgesprochenes Rotweingebiet. Wie schon erwähnt, erlauben die AOC-Bestimmungen auch, einen Teil, und zwar bis zu 15 % des weißen Traubenmaterials, zusammen mit roten Trauben zu keltern. Aber natürlich werden im Hermitage aus Marsanne und Roussanne auch Weißweine produziert. Die weißen Hermitage sind – trotz ihrer geringen Säure – genau wie ihre roten Verwandten von bemerkenswerter Lagerfähigkeit.
Entwicklungsspannen in der Flasche von rund 30 Jahren oder mehr sind beim weißen Hermitage keine Seltenheit. Sogar in ihrer unverwechselbaren Mischung aus körperreicher Aromatik und mineralischer Finesse sind sie den roten Hermitage im Charakter nicht unähnlich – unter anderem sicherlich auch eine Folge des mit 40 l/ha bemerkenswert niedrigen zulässigen Höchstertrags.
Besondere Beachtung verdient auch der seit den 80er-Jahren wieder produzierte Hermitage Vin de Paille. Der Strohwein, dessen Ertrag nach Trocknung der Trauben nur noch bei 15 l/ha liegt, zeichnet sich durch eine besonders tiefgoldene Farbe und vielfältige Aromen von Honig und kandierten Früchten, aber auch von Nüssen, Waldboden, Trüffeln oder Pilzen aus.
Ein hoher Alkoholgehalt von bis zu 15 % und ebenfalls hohe, gern auch dreistellige Restzuckerwerte sind hier die Regel. Sein Alterungspotential ist enorm, für die besten Vertreter seiner Gattung sollten fünf Jahrzehnte oder mehr keine allzu große Herausforderung darstellen.
Wie der Syrah zum Berg kam
Um die Entstehung des roten Hermitage beziehungsweise die Ankunft des Syrah an der Rhône ranken sich unterschiedliche Legenden. Der Name des Bergs soll auf den Kreuzritter Gaspard de Sterimberg zurückgehen, der sich im Jahre 1224 dort als Eremit niedergelassen haben soll. Ihm wird auch gern zugeschrieben, aus der persischen Stadt Schiras eine Rebe mitgebracht zu haben, die der Ursprung des nun alles dominierenden Syrah gewesen sei.
Neuere genetische Untersuchungen legen allerdings eher nahe, dass die Eltern des heutigen Syrah aus dem keltischen Savoyen stammen. Und auch der Besuch von Gaspard de Sterimberg in Shiraz/Schiras ist – vorsichtig ausgedrückt – keineswegs sicher belegt.
Durch archäologische Funde belegt ist hingegen, dass spätestens seit dem 4. Jahrhundert vor Christus Weinbau in der Region betrieben wurde. Der Name L’Hermitage tritt allerdings erst im 17. Jahrhundert auf, eben im Zusammenhang mit dem erwähnten Kreuzritter. Seit diesem Zeitpunkt ist dann auch zunehmend der Export der Weine nach ganz Europa belegt. Auch der russische Zarenhof soll schon früh ein großer Freund der Weine aus dem Hermitage gewesen sein. Die heutige Appellation schließlich wurde im Jahr 1937 gegründet.