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Südfrankreich persönlich

Südfrankreich: Ein persönlicher Blick

Veröffentlicht am 13. Oktober 2013
Denke ich an Südfrankreich, habe ich immer Szenen vor Augen und Gerüche in der Nase, die mich seit meinem ersten Besuch dort nicht mehr verlassen haben. Sie prägen mein Bild von dieser Landschaft, die vor allem dann Sehnsuchtsort wird, wenn es hier kalt und nass ist und der Herbst langsam Einzug hält.

Persönliche Weinerfahrungen

Schon damals, als ich an einem Sommersprachkurs in Sète teilgenommen habe, hatte mich längst die Liebe zum Wein gepackt und die Entdeckung der Weinlandschaft des Languedoc und Roussillon gehörte zu den prägenden Erlebnissen dieser Reise. So habe ich das erste Glas eines gut gekühlten Picpoul de Pinet, des typischen Weißweins der Gegend, direkt über den Austernbänken der Étang de Thau probiert – natürlich mit einer gerade aus dem Meer gefischten Auster und etwas Zitrone dazu. Ich würde behaupten, dass es keinen besseren Moment für ein Glas Picpoul gibt als diesen – vorausgesetzt, man mag Austern. Genauso präsent ist mir die Weinprobe in der Abbaye de Valmagne, einer romanischen Klosteranlage, die während der Französischen Revolution säkularisiert wurde. Seit dieser Zeit beherbergen die Seitenschiffe der Kirche große Weinfuder, während abends große Fledermäuse durch die offenen Kirchenfenster gleiten. In solch romantischer Atmosphäre schmecken diese Weine erfahrungsgemäß noch einmal doppelt so gut. Doch sind die gut gemachten Weine des französischen Südens keine Urlaubsweine, die nur vor Ort schmecken. Dafür sind sie zu seriös, zu tief und zu ausdrucksstark.

Kulturlandschaft, vom Wein geprägt

Den Rebsorten, die ich in dieser Zeit näher kenngelernt habe, bin ich dabei treu geblieben: Grenache Rouge, Gris und Blanc, Rolle, Mourvèdre, Cinsault, Bourboulenc oder Syrah. Namen, die teilweise so archaisch klingen, wie die Landschaft wirkt, in der die Reben stehen. Kein Zweifel, der Süden Frankreichs, der sich hügelig bis zu den Pyrenäen an der spanischen Grenze zieht, ist karg und wird von der Hitze des Sommers geprägt, gleichzeitig ist dieser Landstrich eine Kulturlandschaft, wie man sie sonst selten findet. Zu dieser Kultur gehört die okzitanische Sprache genauso wie die geschliffenen Trutzburgen der Katharer, der ehemals dem König und Papst abtrünnig gewordenen Ketzer. Zu dieser Landschaft gehören die romanischen Klosteranlagen genauso wie die Zitadelle von Carcassonne, Künstlergemeinden wie Collioure, oder die Fischhallen von Sète. Die Landschaft und das Essen werden dabei seit Jahrtausenden vom Wein geprägt. Unglücklicherweise stand das Languedoc lange Zeit als Synonym für die Erzeugung günstiger Massenweine, die häufig sogar aus Rebsorten hergestellt wurden, die eigentlich gar nicht in diese Landschaft gehörten. Das hat sich längst geändert. Man hat sich auch im Languedoc auf seine Qualitäten und seine Stärken besonnen. Diese liegen ohne Zweifel in der Qualität der Rebsorten, die hier heimisch sind. Genauso jedoch auch in der Vielzahl der unterschiedlichen Böden auf denen oft uralte Rebstöcke stehen, die zwar wenig Ertrag bringen, jedoch die Grundlage für Weine von großer aromatischer Intensität liefern.


Collioure, Künstlerdorf und Weinort im Rousillon. © thinkstock.com

Garrigue, Schiefer und das nahe Meer

Selten drücken Weine die sie umgebende Landschaft deutlicher aus als die ursprünglichen Weine des südlichen Frankreichs. Man schmeckt in ihnen geradezu das Ockerfarbene der steinigen Landschaft, die hier häufig aus Granit, Kalk oder Schieferböden besteht. Ebenso riecht man den Duft der Garrigue, den typischen Noten von Thymian, Rosmarin und Bohnenkraut und man kann erahnen, dass die Weine gar nicht so weit vom Meer entfernt entstanden sind. Denn trotz all der Sonne, die die Reben hier vor Reife schier platzen lässt, bleibt doch immer eine deutliche Frische in den Weinen, die sowohl die Mineralität des Bodens liefert, vor allem jedoch das nahe Meer, das den Weinbergen des Nachts die notwendige Abkühlung beschert. Treffen diese Voraussetzungen dann noch auf die Hand eines erfahrenen Winzers, kann hier eigentlich nur guter Wein entstehen.

Es ist diese Art von Wein, dessen Saftigkeit und Reife, dessen Frische und lebendige Frucht das Nassgraue des hiesigen Herbstes vergessen macht und es sind die Noten von Kräutern und Gewürzen, die mich gedanklich in die Ferne schweifen lassen und jeden Schluck zu einem Genuss machen.

Sète im Abendlicht. Copyright: istock.com

Christoph Raffelt

Christoph lehrt als Dozent an der Deutschen Wein- und Sommelierschule Hamburg. Er schreibt und podcastet bereits seit mehr als acht Jahren in seinem privaten Blog originalverkorkt.de und verfasst Weinkritiken und Artikel für verschiedene weitere Medien. Für seine Reihe über die Champagne der Winzer und unabhängigen Häuser wurde er 2014 mit dem Wine Online Award für den besten Weintext des Jahres ausgezeichnet