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Kalifornien – Weinbau im Golden State Teil 2

Teil 2, von Southern California in die Sierra Foothills

Veröffentlicht am 28. Mai 2018

Southern California

Auch rund um die sich breit verästelnde Großstadt Los Angeles gibt es Weinbau. Kleine, gänzlich voneinander unabhängige Gebiete mit teils nur ein, zwei Dutzend Weingütern ziehen sich hoch bis in die Berge oberhalb von San Diego. Tatsächlich findet man dort Cabernet Sauvignon auf 1.300 Metern Höhe – die höchst gelegenen Weinberge ganz Kaliforniens. Ohne Höhenlagen oder geschützte Tallagen wäre Weinbau auch nicht möglich, denn in der Hitze haben die Surfer an der Küste das Sagen und nicht die Weinbauern.

Wer nicht in Höhen geht, der findet sein Glück in den Flusstälern. So zum Beispiel im Cucamonga Valley oder im Temecula Valley, wo etwas mehr als 30 Wineries vor allem italienische Sorten und wiederum die für die Rhône typischen roten und teils weißen Sorten anbauen. Die Grenze zu Mexiko schließlich bildet im Süden die Grenze des kalifornischen Weinbaus.

Inland Valleys

Die Inland Valleys ziehen sich als langes Band weit hinter Santa Barbara bis hoch in den Norden. Das Gebiet unterscheidet sich deutlich von den hügeligen Anbaugebieten am Küstenstreifen. Es ist weitgehend flach und der Anbau wechselt zwischen Wein- und Tafeltrauben, weiteren Obstsorten, Nüsse, Mandeln und Gemüse. Tatsächlich werden zwischen dem San Joaquin Valley und dem Sacramento Valley mehr als 8% des gesamten landwirtschaftlichen Ertrags der USA produziert – inklusive 61.000 Hektar Weinreben allein im San Joaquin Valley.

Besonders bekannt sind die Weingebiete rund um die Stadt Lodi und der Nachbargemeinde Woodbridge. die aus dem Goldgräber-Boom des 19. Jahrhunderts hervorgegangenen Gemeinden verfügen teils noch über alte Rebstöcke aus jener Zeit, die trotz zwischenzeitlicher Prohibition und des damit einhergehenden Niedergangs des Weinbaus nicht herausgerissen wurden. Grund dafür war unter anderem ein Sondergesetz, der es den Winzern von Lodi gestattete, Trauben für den „Häuslichen Weinanbau“ zu verwenden. Die teils uralten Rebstöcke, die meist zur Sorte Zinfandel gehören, wurden in Buscherziehung gepflanzt und beschnitten. Man nennt sie Gnarly Heads, Knorzköpfe und sie erinnern ein wenig an kleine Versionen von Kopfweiden. Zinfandel ist die kalifornische Rebsorte und rund um Lodi werden einige der besten gemacht.

Spezialisten für Gnarly Heads findet man zum Beispiel bei den Delicato Family Vineyards. Gegründet wurde das Unternehmen Anfang des 20. Jahrhunderts von Gaspare Indelicato, dessen Vorfahren über Jahrhunderte auf Sizilien Wein erzeugt hatten. Da bot es sich an, dies in Kalifornien fortzuführen, zumal er mit dem Zinfandel eine Rebe vorfand, die die gleichen Vorfahren hat wie der süditalienischen Primitivo. Drei Generationen später gehört die geschäftstüchtige Familie zu den wichtigsten im kalifornischen Weinbusiness und füllt mit dem Gnarly Head Old Vine Zin den beliebtesten Zinfandel der USA.


Gnarly Heads. © Wine Institute of California

Sierra Foothills

Auch der Bereich der Sierra Foodhills wurde maßgeblich vom Goldrush geprägt. Da die Goldgräber samt ihrer Entourage durstige Leute waren, entstand mit der Gründung der Dörfer und Städte auch der Weinbau. damals war es eines der bedeutendsten Anbaugebiete. die Bedeutung haben die Sierra Foothills an Sehenswürdigkeiten wie den Lake Tahoe oder den Yosemite Nationalpark am Fuße der Rocky Mountains abgegeben. Doch die Qualität, die in den Weinbaugebieten der Counties Yuba, El Dorado und Amador entsteht, kann sich sehen und vor allem schmecken lassen. Neben verlassenen Goldgräberstädten findet man bis heute Old Vine Zinfandel von Stöcken aus dem 19. Jahrhundert. Dazu alte Syrah-, Barbera und Viognier-Reben, die Rückschlüsse darauf zulassen, in welchen Ländern die Goldgräber einst aufgebrochen sind. Am Ende der Mother Lode, der berühmten, 190 km langen Goldader liegt El Dorado, der Vergoldete. Diesen Namen kennt man nicht nur aus Western, er steht ebenso für Zinfandel aus alten Reben, der auf 600 Meter Höhe angebaut wird.

Es ist kein Wunder, dass Kalifornien nicht nur als Golden State, sondern auch als Wine State bezeichnet wird. Wein ist neben Hochtechnologie und weiterer Landwirtschaft ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Es heißt, die Kalifornier seien äußerst entspannte Menschen, was bei dem vorhandenen Klima auch etwas einfacher sein mag, als wenn man in der norddeutschen Tiefebene beheimatet ist. Nur beim Wein wird es schnell ernst. Das Thema ist wichtig und vielschichtig und wird leidenschaftlich diskutiert.

Christoph Raffelt

Christoph lehrt als Dozent an der Deutschen Wein- und Sommelierschule Hamburg. Er schreibt und podcastet bereits seit mehr als acht Jahren in seinem privaten Blog originalverkorkt.de und verfasst Weinkritiken und Artikel für verschiedene weitere Medien. Für seine Reihe über die Champagne der Winzer und unabhängigen Häuser wurde er 2014 mit dem Wine Online Award für den besten Weintext des Jahres ausgezeichnet