image

Ein Jahr beim Winzer – Mai

Was im Weinberg und im Keller geschieht

Veröffentlicht am 01. Mai 2017

Weinbau im Mai – Wenn man es ganz reduziert formuliert, dann ist der Wein ein Getränk, das entsteht, indem reife Trauben mithilfe von Hefen vergoren werden. Dabei wird der in den Trauben vorhandene Zucker in Alkohol umgewandelt. In den Trauben, Häuten und Kernen finden sich jedoch nicht nur Wasser und Zucker, sondern eine große Menge weiterer unterschiedlicher Verbindungen, auf deren Entstehung jeder noch so kleine äußerliche Anlass Einfluss hat. Neben dem Boden, dem spezifischen Mikroklima, dem Wetter und der gewählten Rebsorte sind es vor allem die Arbeit des Winzers im Weinberg bis zur Lese und seine Eingriffe im Keller, die entscheiden, welche Art von Wein wir später trinken.

Diese Aufgaben und Möglichkeiten, die der Winzer hat, werden wir ab heute einmal monatlich erläutern. Dazu berichtet Anna Schwarz aus ihrem Winzerinnenalltag. Anna befindet sich in ihrer Ausbildung zur Technikerin für Weinbau und Oenologie und hat in den letzten Jahren schon viel praktische Erfahrung, gesammelt. Davon zeugen viele Stationen, wo sie selbstverantwortlich tätig war. Wir freuen uns, dass sie sich die Zeit nimmt, aus ihrem Alltag zu berichten.

Austrieb

Es ist Mai – endlich! Nachdem der April schon einen ersten Vorgeschmack auf die kommenden, warmen Sommermonate gegeben hat, beginnt das Jahr für die Rebe nun richtig. Der Austrieb findet gewöhnlich Anfang Mai statt. Unter den richtigen Witterungsbedingungen passiert dies fast explosionsartig. Und lange genug warten musste die Rebe ja auch …

Täglich kann man jetzt beobachten, was für große Sprünge die Entwicklung der Knospen macht. Dabei beginnt die eigentliche Entwicklung schon sehr viel früher, denn die Anlagen der Winteraugen, aus denen im Frühjahr Sprosse austreiben, werden bereits im Sommer des Vorjahres gebildet. Anfangs sind die Knospen noch klein und fest, werden dann aber langsam wollig und schwellen an. Dabei färben sie sich weiß, rosa und gelblich, bis dann Mitte Mai sogar schon grüne Triebe und die ersten Gescheine, aus denen später die Trauben entstehen, sichtbar werden. Bis zur Blüte im Juni dauert es allerdings noch etwas.


© www.deutscheweine.de

Doch bis dahin gibt es auch einiges zu tun, denn jetzt wird im Weinberg wieder alles gegeben, um möglichst früh einen positiven Einfluss auf die zu erwartende Traubenqualität zu nehmen. Dazu werden zum Beispiel nach dem Austrieb einige Sprossen am Trieb entfernt. Da die frischen Knospen oder jungen, kurzen Triebe sehr empfindlich sind, kann man sie mühelos mit den Fingern abbrechen. Somit beschränkt man schon früh die Ertragsmenge – denn wo kein Trieb, da auch keine Trauben! Dadurch haben aber die am Stock entstehenden Trauben später mehr von allem, was gut für sie ist: Mehr Nährstoffe, eine ausgeglichene Verteilung dieser und auch eine durch Entblätterung hervorgerufene höhere Belichtung. Und was will man noch mehr als Trauben? Gesunde Trauben!

Ja, auch Trauben wünschen sich Gesundheit. Denn bevor der Mensch kurz vor der Lese, wenn die Trauben süß und lecker sind, als Fraßfeind Nr. 1 im Weinberg auftaucht, machen sich so manche tierische, aber auch pilzige Schädlinge und Erreger über die Reben her. Mit dem Austrieb startet also auch die Saison des Pflanzenschutzes. Jetzt werden bis einige Wochen vor der Lese im Zeitraum von ein bis zwei Wochen alle notwendigen Pflanzenschutzmaßnahmen betrieben. Dabei gilt, wie bei allen anderen Anwendungen: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig“. Denn eine übertriebene Anwendung der Mittel ist nicht nur fragwürdig in Hinsicht auf Umweltaspekte, sondern schadet auch der Betriebswirtschaft. Und mehr Schutz entsteht auch nicht. Es gilt ohnehin, die Rebe eher zu stärken und ihre eigenen Abwehrmechanismen zu unterstützen, sodass möglichen Angriffen vorgebeugt wird. Denn genauso wie bei uns Menschen sind die Mittel meist nicht in der Lage, Krankheiten zu heilen. Die Technik zur Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln wurde in den letzten Jahren immer effizienter gestaltet. Natürlich arbeiten Winzer in der Natur, sind Landwirte und stellen somit landwirtschaftliche Erzeugnisse her. Für sie ist es selbstverständlich, dass die Gesundheit und somit der Ertrag der Erzeugnisse geschützt werden muss.

Das Wachstum der Rebe verläuft jetzt also, dank viel Sonnenschein und frühsommerlicher Wärme, schnell. Doch so wohlig warm manche Tage im Mai schon sind und wie gerne man die angenehmen Temperaturen genießt – nachts wird es dann doch noch mal kalt! Unter Umständen sogar sehr, denn Mitte Mai kommen die Eisheiligen. Sie bringen Nachtfröste mit sich und über die freuen sich die Winzer gar nicht. Besonders dann, wenn sich frostige Celsiusgrade in den Morgenstunden mit dem Frühnebel verbünden, kann es für die jungen Triebe schwerwiegende Folgen haben. Schon bei knapp unter 0 °C kommt es zu Schäden. Die kleinen, zarten Blätter rollen sich ein und verfärben sich rötlich braun. Auch die Gescheine, aus denen später die Trauben gebildet werden, sind von den Auswirkungen des Frostes betroffen. Natürlich sind manche Lagen, besonders Senken oder am unteren Hang befindliche Weinberge, eher betroffen als solche, in denen der Wind die kalte Luft verwirbelt. Auch einige Rebsorten sind anfälliger als andere. Dennoch ist es immer wieder eine Zitterpartie für die Winzer. In der alten Bauernweisheit „Vor Nachtfrost, du nie sicher bist, bis Sophie vorüber ist“ steckt also durchaus Wahrheit.


© www.deutscheweine.de

Aber ganz so schutzlos ausgeliefert ist man dem gegenüber nicht. In manchen Regionen schließen sich Winzer zusammen und beauftragen Hubschrauber. Durch die Verwirbelung der kalten Luft durch die Rotorblätter wird versucht, Frostschäden abzuwehren. Auch kleine Töpfe mit Paraffin, die in den Frostnächten entzündet werden, findet man in kritischen Nächten in den Rebzeilen.

Nutzen wir also das schöne Wetter und schauen gleichzeitig gespannt auf die Dinge, die uns dann im Juni vor neue Herausforderungen stellen werden.

Anna Schwarz
Anna Schwarz machte im Rahmen ihres Studiums ein Praktikum beim Hanseatischen Wein & Sekt Kontor. Seitdem ist sie aus der fränkischen Ferne für uns im Einsatz. Als Kind des Ruhrgebiets schlug sie ungewohnte Wege ein, die nicht unbedingt auf der Hand lagen: Sie wurde Winzerin, war schon in einigen Weinbaugebieten tätig, ist immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen und absolviert gerade die Ausbildung zum Techniker für Weinbau und Oenologie an der fränkischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim.