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Interview mit Wilhelm Weil, Weingut Robert Weil

Winzer vom Weingut Robert Weil

Veröffentlicht am 15. Oktober 2013
Selbst Weinunkundigen dürfte das markante blaue und goldene Etikett schon einmal irgendwo aufgefallen sein. Es ziert seit Jahrzehnten die Flaschen eines – wenn nicht vielleicht des bekanntesten – Weinguts in Deutschland. Das Rheingauer Weingut Robert Weil hat sich diesen Ruf in mehr als einem Jahrhundert kontinuierlicher, dem Qualitätsweinbau verpflichteter Bewirtschaftung erarbeitet. Besonders in den mehr als schwierigen Zeiten des deutschen Weinbaus der siebziger und achtziger Jahre sind die Weils mit nur wenigen anderen Weingütern die Speerspitze des deutschen Weins geblieben – auch wenn das nicht einfach war. Glücklicherweise haben sich die Zeiten geändert, und die einsamen Rufer in der Wüste haben viele Jünger gefunden. Unter der Ägide von Wilhelm Weil steht das Weingut prächtig da, und auch heute entstehen hier einige der profundesten Rieslinge Deutschlands – und das im restsüßen wie im trockenen Bereich. Nun hat das historische Gut in Kiedrich einen modernen Anbau mit Traubenannahme und Holzfasskeller erhalten, der  im vergangenen Mai feierlich eröffnet worden ist.

Wein-Magazin: Herr Weil, als Sie im Mai die Erweiterung Ihres Weingutes gefeiert haben, war internationale Weinprominenz anwesend, wie man sie selten zusammen an einem Ort findet. Das unterstreicht die Bedeutung, die Sie dem Anbau beimessen. Inwiefern verändert er die Arbeit auf dem Weingut?

Wilhelm Weil: Sicherlich war der Besuch für viele Kollegen und Freunde führender deutscher und internationaler Weinanbaugebiete auch wegen der Fertigstellung unseres Um- und Neubaus ganz interessant. Immerhin waren wir seit Anfang 2011 große Baustelle – ein neues Kelterhaus, ein neuer Holzfassgewölbekeller, Tank- und Flaschenlager sowie Repräsentationsräume sind entstanden. Dass aber weltbeste Weinerzeuger wie Antinori, Gaja, Tenuta dell’Ornellaia, Tenuta San Guido (Sassicaia), Domaine de Chevalier, Château Pichon Longueville Comtesse de Lalande, Domaine Méo-Camuzet, Opus One, Hirtzberger, Emmerich Knoll, F.X. Pichler, Pesquera, Trimbach und viele mehr die oftmals lange Anreise ins Rheingau auf sich genommen haben, hat meines Erachtens einen anderen Grund. Es ist der Respekt vor dem deutschen Riesling, dessen Qualität und Tradition!

Seine angestammte Position unter den weltbesten Spitzengewächsen wird dem Riesling, erzeugt von deutschen Spitzenwinzern, wieder einstimmig in der globalen Weinwelt zugestanden. Dies ist natürlich Lob und Verpflichtung zugleich. Aber mit unseren besten Rieslinglagen habe ich auch keine Bange, dass diese Stellung (natürlich in aller Demut und mit handwerklicher Perfektion) erhalten und weiter ausgebaut werden kann.

Wein-Magazin: Weingüter, vor allem Fasskeller, werden heutzutage immer spektakulärer in Szene gesetzt. Es gibt mittlerweile großformatige Bildbände, die ausschließlich Fasskeller abbilden, und ich habe manchmal den Eindruck, dass Wein in diesen Kellern auf religiöses Niveau gehoben wird, Fasskeller wie gotische Kathedralen bestaunt werden. Ist das vergleichsweise schnelllebiger Zeitgeist oder bekommt Wein damit die Bedeutung, die ihm zusteht?

Wilhelm Weil: Weinanbau ist ein Handwerk! Spitzenweinbau ist ein Kunsthandwerk! Spitzenweine können nur in einem Spannungsfeld von Tradition und Moderne sowie mit handwerklichem Perfektionismus entstehen. Die Qualität der Traube steht dabei immer im Mittelpunkt. Das, was aus dem Weinberg hereinkommt, kann durch die Önologen im Keller nur erhalten werden. Auch können wir niemals über das natürliche Potenzial des Weinbergs hinaus arbeiten. Somit bekommen wir als Winzer unsere Grenzen vom natürlichen Potenzial unserer Weinberge gesetzt. Zweifelsohne ist Wein kein übliches Lebensmittel oder Getränk. Auch wird der Begriff Genussmittel alleine meines Erachtens Wein nicht gerecht. Wein ist für mich darüber hinaus Kultur und Lebenselixier. Darum aber einen übertriebenen Kult zu machen und das handwerkliche Produkt aus dem Fokus zu verlieren, entspricht nicht meiner Vorstellung.

Einen Weinkeller zu haben, der dem Weinberg und dem Wein mit seiner Qualität gerecht wird, ist sinnvoll und notwendig. Glanz über den Weinkeller zu suchen oder damit etwas darstellen zu wollen, was die Qualität in der Flasche nicht halten kann, ist eher peinlich.

Wein-Magazin: Wie schätzen Sie die Bedeutung von Wein im historischen Kontext ein?  Hatte er eine andere Bedeutung, als das Weingut von Ihrem Vorfahren gegründet wurde? Und wie sieht es heute aus?

Wilhelm Weil: Wie wichtig Tradition ist und dass trotzdem jede Generation ihre Fußstapfen hinterlassen sollte, ja muss, hat der deutsche Weinbau in den letzten 30 Jahren wieder für sich entdeckt. Die Erkenntnis, dass sich Tradition und Innovation nicht gegenseitig ausschließen müssen, sondern sogar synergetisch zusammenwirken sollten, ist der Schlüssel für qualitativen Erfolg.

Auch ist es eine Frage des Nehmens und Gebens. Wir können im Rheingau auf eine jahrhundertealte Tradition mit wundervollen Weinklöstern, Weinschlössern, Herrenhäusern und Kirchen blicken, eingebettet in einer einmaligen Landschaft entlang des Rheins und geschützt durch das Taunusgebirge, haben weltrenommierte Lagen, die urkundlich im 12. Jahrhundert schon Erwähnung fanden, und wir haben den Riesling: Rheingau ist Riesling und Riesling ist Rheingau. Weltweit gibt es keine Region mit einem so hohen Rieslinganteil. Was bekommen wir da alles von unseren Vorfahren, die vielleicht härter als wir arbeiten mussten, geschenkt? Und da ist es doch eine Selbstverständlichkeit, dass man versucht, seiner Heimat etwas zurückzugeben, wovon nachfolgende Generationen profitieren können.

Wein-Magazin: Auch wenn man den Eindruck hat, dass das Weingut wie ein Fels in der Brandung steht, und das mit einer geradezu aristokratisch-entspannten Aura, bewegt sich ja auch ein Fels immer weiter. Wohin bewegen Sie sich mit Ihrem Weingut? Was verändert sich oder hat sich im Laufe der letzten Jahre verändert?

Wilhelm Weil: Wir haben uns über die letzten zwanzig Jahre noch mehr auf unsere Tradition besonnen. Kürzlich haben wir das eine Prozent Spätburgunder aufgegeben, sodass wir jetzt wieder ausschließlich Riesling auf Weingut Robert Weil vinifizieren. Auch haben wir wieder die Lagenklassifikation, wie sie schon vor knapp 150 Jahren im Rheingau – sie ist damit die weltweit älteste Lagenklassifikation – genutzt wurde, wieder eingeführt. Die Hierarchie der Weine und ihre Herkunft baut sich von den Gutsweinen (korrespondierend zu Domaine) über die Ortsweine (korrespondierend zu Village), die Ersten Lagen (korrespondierend zu Premier Cru) bis zu den Grossen Lagen (korrespondierend zu Grand Cru) auf.

In diesen vier Herkunftsebenen werden sowohl trockene Weine als auch fruchtsüße Weine erzeugt. Bei den fruchtsüßen Weinen wird ein Prädikat (Kabinett, Spätlese, Auslese etc.) an die Herkunft angehängt, wobei jedes Prädikat einen eigenen Geschmackskorridor hat, d. h. Auslese ist süßer als Spätlese und Spätlese ist süßer als Kabinett. Bei den trockenen Weinen wird auf die Angabe von Prädikaten verzichtet, deren Nutzung in Zeiten der globalen Erwärmung sowieso zunehmend kaum noch Sinn macht, da der Robert Weil Riesling Trocken sehr oft Spätlese-Mostgewichte, zumindest aber gehobene Kabinett-Mostgewichte, bei der Ernte hatte und hat.

Wein-Magazin: Heute gibt es ja zumindest in der Weinszene unter Liebhabern, Kritikern, Journalisten bzw. Bloggern eine nicht enden wollende Diskussion um die Bedeutung der Herkunft eines Weines. Es geht um Boden, Mikroklima, Traubensorte, die Art der verwendeten Hefen und die eingreifende Hand des Winzers. Denn jeder Eingriff, egal ob im Weinberg oder im Keller, verändert den Wein und somit seine Stilistik. Was ist für Sie dabei wirklich von Bedeutung?

Wilhelm Weil: Die Heimat, die Herkunft, die Lage in Verbindung mit der Rebsorte und die handwerkliche Arbeit des Winzers im Weinberg sind entscheidend. Es geht um beste Trauben, denn nur aus besten Trauben entstehen große, authentische und profilierte Weine, die auch Lagerungspotenzial haben. Im Keller ist der Leitspruch, das kontrollierte Nichtstun, der Natur ihren Lauf zu lassen und diese trotzdem intensiv zu begleiten. Rezepte gibt es dabei keine, genauso wie Sterneköche, nicht nach Kochbüchern kochen. Es geht darum, alle vinologischen Optionen zu wissen, diese aber nicht zwingend anzuwenden und jeden Wein individuell anzusprechen.

Wein-Magazin: Herr Weil, Sie sind Miteigentümer des Weinguts Robert Weil und gleichzeitig sein Verwalter. Inwiefern nehmen Sie noch konkret Einfluss auf die einzelnen Weine?

Wilhelm Weil: Ich bin vor allem Winzer und Önologe. Somit trägt natürlich jeder Wein auch meine Handschrift. Ob das immer gut ist, kann ich natürlich selbst nicht beantworten. Entscheidend aber ist, dass jeder Wein erst einmal im Kopf des Winzers wächst. Und dass über das Jahr viele Dutzende Hände dabei helfen, dass die Ideen auch alle umgesetzt werden können, dafür bin ich sehr dankbar.

Wein-Magazin: Abschließend würde mich interessieren: Gibt es einen Wein, den Sie noch nicht gemacht haben, aber unbedingt einmal erzeugen möchten?

Wilhelm Weil: Der Blumenstrauß verschiedener Weine beim Riesling ist mir gerade bunt genug. Nicht dass ich mit meinen 50 Jahren müde würde, aber ich möchte mich ausschließlich auf die Kiedricher Berglagen, den Riesling, seine Geschmacksfacetten und Prädikate im Anbau und Vinifikation konzentrieren. Sowieso müsste ich 200 Jahre alt werden, um aus den Schuhen des Wein-Novizen herauszuwachsen.

Wenn es um das Weintrinken geht, dann bin ich schon wesentlich globaler unterwegs, wobei das Herz endgültig doch in den klassischen Weinbaugebieten der Alten Welt besonders hochschlägt.

Wein-Magazin: Herr Weil, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Titelbild: Wilhelm Weil

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