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Ein Jahr beim Winzer – September

Was im Weinberg und im Keller geschieht

Veröffentlicht am 01. September 2017

Weinbau im September – Wenn man es ganz reduziert formuliert, dann ist der Wein ein Getränk, das entsteht, indem reife Trauben mithilfe von Hefen vergoren werden. Dabei wird der in den Trauben vorhandene Zucker in Alkohol umgewandelt. In den Trauben, Häuten und Kernen finden sich jedoch nicht nur Wasser und Zucker, sondern eine große Menge weiterer unterschiedlicher Verbindungen, auf deren Entstehung jeder noch so kleine äußerliche Anlass Einfluss hat. Neben dem Boden, dem spezifischen Mikroklima, dem Wetter und der gewählten Rebsorte sind es vor allem die Arbeit des Winzers im Weinberg bis zur Lese und seine Eingriffe im Keller, die entscheiden, welche Art von Wein wir später trinken.

Diese Aufgaben und Möglichkeiten, die der Winzer hat, werden wir ab heute einmal monatlich erläutern. Dazu berichtet Anna Schwarz aus ihrem Winzerinnenalltag. Anna befindet sich in ihrer Ausbildung zur Technikerin für Weinbau und Oenologie und hat in den letzten Jahren schon viel praktische Erfahrung gesammelt. Davon zeugen viele Stationen, wo sie selbstverantwortlich tätig war. Wir freuen uns, dass sie sich die Zeit nimmt, aus ihrem Alltag zu berichten.

Die Weinlese beginnt

Es geht los: Die Weinlese beginnt! Die Früchte der Arbeit eines ganzen Jahres können nun geerntet bzw. gelesen werden. Die Beeren sind reif. Und das sieht man ihnen nicht nur an, nein, man schmeckt es auch. Die Schale ist weich und nicht mehr mit dem harten Biss von vor einem Monat zu vergleichen. Das Fruchtfleisch ist saftig und im Geschmack sind die Beeren zuckersüß und voller Aroma. So muss das sein! Denn wie soll ein schöner Wein entstehen, wenn das Lesegut keinen solchen Eindruck macht? Es ist schließlich das Ausgangsmaterial für sämtliche anstehenden Schritte im Keller – bis der Wein letztlich auf die Flasche kommt. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg.

Je nach Wetterlage und Rebsortenstruktur des Anbaugebietes und Weingutes kann die Lese in zwei bis drei Wochen, aber auch in zwei bis drei Monaten erfolgen. So müssen Weingüter, die Riesling oder Burgunder (ab Mitte Oktober) anbauen, sich bei diesen eher spätreifenden Sorten länger gedulden als solche, die Müller-Thurgau und Dornfelder (ab Anfang September) anpflanzen. Wie stellt der Winzer dabei fest, wann die Trauben ihre Reife erreicht haben? Schon länger richtet man sich nicht mehr ausschließlich nach dem Zuckergehalt der Beeren, der in °Oechsle angegeben wird. Auch Faktoren wie der Säuregehalt oder der pH-Wert spielen in Hinsicht auf den zu erzeugenden Wein eine wichtige Rolle. Und nicht zuletzt ist es natürlich auch der reine Geschmack, der den Zeitpunkt der Lese bestimmt. Die Erfahrung des Winzers ist letztlich entscheidend, denn vor allem die Kerne der Beeren müssen reif schmecken. Die sogenannte physiologische Reife ist heute viel entscheidender als das reine Mostgewicht.


Die Weinlese beginnt. Foto © Deutsches Weininstitut

Bei der Ernte und Auswahl der Trauben ist ebenfalls die Erfahrung des Winzers entscheidend. Welcher Weinberg eignet sich für welche Produktqualität? Wo stehen die jungen und wo die älteren Reben? Für die besonderen Lagenweine nimmt man lieber Trauben eines älteren Weinberges aus exponierter Lage, dessen Beeren durch das Alter der Rebe eine ganz andere Geschmacksausprägung besitzen. Die Winzer kennen ihre Weinberge genau und können durch Erfahrung sagen, welche Trauben aus welcher Lage und welcher Parzelle nachher für die Erzeugung der passenden Weine geeignet sind. Doch allein darauf darf man sich nicht immer verlassen. Während der Gärung entwickeln sich die einzelnen Partien in den Tanks und Fässern manchmal doch anders als gedacht – und dies gilt sowohl positiv als auch negativ. Hier ist es dann gut zu wissen, dass die Partien, die als Trauben eines Weinberges gelesen wurden, auch separat vergoren und ausgebaut wurden. Denn das lässt immer noch die Möglichkeit offen, später Weine miteinander zu verschneiden und eine stimmige Cuvée zu kreieren. Dabei handelt es sich nicht zwangsläufig um den Verschnitt verschiedener Rebsorten, denn auch die Zusammenlegung der Weine aus unterschiedlichen Lagen im Keller fällt unter den Begriff der Cuvée.

Doch bis zu diesem Schritt sollen noch ein paar Monate vergehen, denn erst mal müssen die Trauben vom Stock. Vielfach wird hierzu neben der altbewährten Handlese auch der Vollernter eingesetzt. Er fährt über die Rebzeilen hinweg und löst durch Rüttelbewegungen der horizontal angeordneten Stäbe in seinem Inneren starke Schwingungen aus, welche die Laubwand in Bewegung bringen. Durch die vorhandene Reife der Trauben lösen sich diese durch die entstehende Vibration leicht vom Stielgerüst, fallen runter auf Schuppenbänder, die sie wiederum in Sammelbehälter befördern. Für viele ziemlich unromantisch, aber durchaus schlagkräftig und durch die Fortschritte der Technik auch oft fast genauso schonend wie die Handles. Einen Haken hat der Vollernter momentan noch: Ab einer gewissen Hangneigung geht es für ihn nicht mehr weiter. In Franken laufen allerdings erste Versuche mit Steillagen-Vollerntern, die vielversprechend sind. Doch aktuell sind es die fleißigen Lesehelfer, die jede Steil- oder Terrassenlage mit Geschick meistern. Ob mit Eimern in den Händen oder Legel auf dem Rücken, geht es in die Weinberge. Steiniges Terroir erschwert den sicheren Stand und macht die Lese mancherorts zum Balanceakt. Von den Eimern, Legeln oder den Behältnissen des Vollernters aus gelangen die Trauben dann per Trecker ins Weingut, wo sie je nach Qualitätsstufe noch einmal einzeln begutachtet werden.


Foto © Deutsches Weininstitut

Im Weingut werden die Beeren, je nachdem welche Rebsorte angeliefert wird oder welcher Weintyp entstehen soll, entrappt, also vom Stielgerüst entfernt. Bei roten Sorten wird je nach Sorte das Stielgerüst komplett oder nur teilweise entfernt. Danach werden die Beeren in der Traubenmühle angequetscht. Die weißen Trauben werden nur kurze Zeit auf den Traubenhäuten belassen und dann gepresst, während die roten Trauben die nächsten Wochen auf der Maische vergären werden.

Sind dann nach einem langen Tag die Trauben versorgt, werden Traubenannahme, Quetsche etc. gründlich gereinigt, damit am nächsten Erntetag wieder alles sauber zur Verfügung steht. Nach einem solchen Tag fällt man entweder sofort ins Bett oder schafft es noch, die Ereignisse des Tages und den kommenden Tag bei einem letzten Glas Wein mit dem Team zu besprechen.

Anna Schwarz
Anna Schwarz machte im Rahmen ihres Studiums ein Praktikum beim Hanseatischen Wein & Sekt Kontor. Seitdem ist sie aus der fränkischen Ferne für uns im Einsatz. Als Kind des Ruhrgebiets schlug sie ungewohnte Wege ein, die nicht unbedingt auf der Hand lagen: Sie wurde Winzerin, war schon in einigen Weinbaugebieten tätig, ist immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen und absolviert gerade die Ausbildung zum Techniker für Weinbau und Oenologie an der fränkischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim.