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Das richtige Dekantieren und Belüften von Wein – Teil 1

Teil 1/2

Veröffentlicht am 21. August 2012
Unser Autor Eckhard Hillmann räumt im ersten Teil des Artikels mit einigen Mythen zum Thema Dekantieren auf. Im zweiten Teil wird es dann um eine andere Form der Belüftung gehen – das frühzeitige Öffnen der Weinflasche.

Dekantieren

Das Umfüllen von Wein in eine Karaffe, besonders Rotweine, wird immer wieder gerne praktiziert, und sei es auch nur, weil ein funkelnder Wein in einer Karaffe besonders schön aussieht und natürlich auch Sinnlichkeit verströmt. Dabei gibt es kaum so viele Irrtümer und Fehler gerade im Hinblick auf das Dekantieren, etwa jene irrige Annahme, je älter der Wein ist, desto eher müsse er dekantiert werden. Womit man schon manch großartigen Wein geradezu hingerichtet hat. Unsere Antwort auf die oft gestellte Frage, soll man dekantieren, ist daher kurz und für viele auch häufig nicht zufriedenstellend. Sie lautet: dekantieren Sie gerne, wenn Sie genau wissen, was Sie tun.

Was passiert eigentlich beim Dekantieren?

Allein schon der Vorgang selbst, also das Einschenken in die Karaffe, führt bereits zu einer erhöhten Sauerstoffaufnahme des Weines. Ruht der Wein dann in seinem neuen Gefäß, so bietet auch die große Kontaktfläche, die sich in einer bauchigen Karaffe bildet, ausreichend Angriffsmöglichkeiten für Sauerstoff. Sauerstoff, aber besonders zu viel davon, ist der Feind des Weines. Er lässt den Wein rasch oxidieren, und das bedeutet so viel wie rasch altern. Bis auf wenige Ausnahmen sind besonders alte und gereifte Weine sehr empfindlich gegen Sauerstoff. Diese haben sich viele Jahre lang von der kleinen Luftblase im Flaschenhals „ernährt“, und geraten nun urplötzlich in Kontakt mit einer großen Menge Sauerstoff. So kann der Wein beim Dekantieren einen regelrechten Schock erleiden.

Wann also sollte man, wann also kann man dekantieren?

Man sollte sich in erster Linie auf junge Weine mit Reife- und Alterungspotential beschränken (sofern bekannt natürlich). Hier kann der Sauerstoff noch eine segensreiche Kraft entfalten, denn der in seiner Jugend noch verschlossene Wein wird sich durch die Sauerstoffgabe öffnen, runder, komplexer und harmonischer werden, und kann dem Weinfreund somit einen Reifezustand in etwa simulieren, den er in der Flasche erst in Jahren erreichen wird. Ersetzen kann er die Flaschenreife freilich nicht.

Natürlich wird gerne angeführt, das Dekantieren müsse man auch dort praktizieren, wo Wein von seinem Depot, das er im Laufe der Reife entwickelt hat, getrennt werden muss. Ja, durchaus, aber auch hier gilt es zu beachten, ob der Wein den Sauerstoffschub, den er hierbei bekommt, ertragen kann oder nicht. Die Alternative und somit auch die sichere Seite wäre, die Flasche einen Tag vorher waagrecht zu stellen, damit sich das Depot am Flaschenboden absetzen kann, und dann vorsichtig öffnen und ausschenken. Dass man dabei natürlich mit der Flasche nicht mehr umgehen kann, wie mit Gymnastikkeulen, ist natürlich selbstverständlich.

Daher ein kleiner Rat zum Schluss: Wenn man sich unsicher ist, sollte man lieber auf das Dekantieren verzichten und die Entwicklung des Weines im Glas verfolgen. Dort atmet der Wein schließlich auch und entwickelt sich. Und so kommen wir dann auch wieder auf den Anfang zurück: Dekantieren Sie nur, wenn Sie genau wissen, was Sie tun.

Lesen Sie im zweiten Teil des Beitrags über den Sinn oder Unsinn einer anderen Art von Belüftung – des frühzeitigen Öffnen der Flasche.

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