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Das Barrique

Erfahren Sie alles über das Barrique.

Veröffentlicht am 08. Mai 2013
Es duftet wieder nach edlem Holz in den Winzerkellern Europas. Nachdem in Europa so ungefähr mit Beginn der 1950er-Jahre alles Holz dem Stahltank weichen und das Feld in den Kellern räumen musste, feierte vor allen Dingen das kleine Eichenfässchen, das Barrique, eine große Renaissance in den 1980er-Jahren und ist bis heute als gestalterisches Mittel der Önologen zur Erlangung hoher Komplexität in den Weinen nicht mehr wegzudenken.

Ausgangspunkt dieser Renaissance – und das passt – war ausgerechnet Italien. Nachdem gerade in den 1980er-Jahren die Blütezeit großer Bordeaux begann und diese auch, Robert Parker sei Dank, extrem hohe Bewertungen erzielten, interessierte man sich in Italien sehr für die Produktion eben jener hoch prämierten Bordeaux-Weine und stieß auf das scheinbare Geheimnis, das Barrique, das Eichenfässchen mit einem Inhalt von 225 Litern. In der Folgezeit wurde das Barrique dann geradezu frenetisch als eine Errungenschaft zeitgemäßer Önologie gefeiert und trat seinen Siegeszug rund um die Welt an. Manch ein Weingut baute geradezu Kathedralen, um seinen geliebten Fässchen auch ein angemessenes Domizil zu schenken. Fast jedem Wein wurde fortan der Kuss edler Eiche verpasst, um den Weinen den letzten komplexen Schliff zu verleihen. Doch diese „Exzesse“ sind nun gottlob vorüber.

Dabei ist das Barrique keineswegs neu. Schon vor gut 150 Jahren ließen die Châteaus in Bordeaux ihre Weine in den kleinen Eichenfässchen reifen. Als die Winzer des Bordelais Ende des 19. Jahrhunderts aus ihrer Region von der Reblaus vertrieben wurden, zogen sie über die Pyrenäen und ließen sich in der Region Rioja nieder, um hier Wein zu erzeugen. Eines ihrer wichtigsten Stilmittel, das Barrique, brachten sie gleich mit. So bildete sich auch in Spaniens Edel-Region die Tradition, die Weine in den 225-Liter-Fässchen reifen zu lassen.

Heute versteht man unter Barrique zumeist das neue, noch jungfräuliche Fass, das auf seine erste Belegung wartet. Was aber nicht ganz richtig ist, denn natürlich werden die Fässchen, die bei einem Preis von ca.  700 bis 1.000 € und mehr ja auch nicht ganz billig sind, mehrfach verwendet. Es kommt ganz einfach auf den Weinstil an, den man erzeugen möchte.


Kleiner Barrique-Keller auf Sizilien. Foto: Flickr poltronafrau

Was also passiert im Großen und Ganzen im Barrique? Zunächst einmal ist die Größe von 225 Litern (in Burgund übrigens 228 Liter) durchaus mit Bedacht gewählt, denn gerade bei dieser Größe bildet die Oberfläche des Weines eine optimale Kontaktfläche mit dem Holz. Ist das Fass neu, so gibt das Holz Aromastoffe an den Wein ab, vor allen Dingen Vanillin. Das verleiht dem Wein einen feinen, süßlichen, an Vanille erinnernden Touch. Durch die Röstung des Holzes, das „Toasting“, in der Küferei entstehen zudem Röstaromen wie Karamell, gebrannte Mandeln oder Mokka, die im Wein im Duft wie im Geschmack für ein höheres Maß an Komplexität sorgen können, natürlich nur, sofern diese zu der Frucht der Rebsorte passen. Deshalb sind nicht unbedingt alle Rebsorten barriquetauglich. Und da durch die Poren des Holzes zudem eine sehr feine Oxidation stattfindet, gewinnt der Wein an Reife und Harmonie, manche wirken dadurch sogar gehaltvoller und mächtiger, was durchaus nicht unerwünscht ist.


Küferei in Bordeaux. Foto: Flickr bshevlin

Genau das ist aber der Grund, warum manche Kritiker den überzogenen Einsatz von Barriques monieren. Sie sagen, dadurch verlöre der Wein an Authentizität und Charakter und würde sogar mitunter wie ein „Monster“ wirken. Wie dem auch sei, natürlich kommt es auf das rechte Maß und den behutsamen Einsatz an. Dann kann ein Wein nicht unerheblich zulegen und gewinnt an Reichtum, Komplexität und Ausdruck. Hier ist Winzerkunst und Feingefühl gefragt, um die richtige Balance zu finden.

Um einem Irrglauben gleich vorzubeugen, das kleine Eichenfässchen ist kein Allheilmittel. Wer glaubt, durch das Barrique aus einem qualitativ moderaten Ausgangswein einen „Blockbuster“ zaubern zu können, befindet sich auf dem Holzweg. Gerade wegen der Anreicherung durch zusätzliche Aromen sowie die Mikrooxidation muss der Wein schon eine hervorragende Qualität aufweisen, ansonsten kann er im Fässchen regelrecht hingerichtet werden. Manch ein von der Eiche euphorisierter Winzer kann große Klagelieder davon singen.

Nun mag der Unbedarfte die Frage aufwerfen, Holz sei eine natürliche Ressource, mit der man, verwendet man jedes Jahr neue Fässer, sehr verschwenderisch umgehe. Nein, keine Sorge, so ein Fass ist viele, viele Jahre in Gebrauch. Nach der Erstbelegung werden andere Weine darin zur Reifung gelagert, die eben weniger oder gar kein Holz abbekommen sollen. Da wird das Fass gerne bis zu 15 Jahre und mehr benutzt. Und zu guter Letzt freuen sich insbesondere die Whisky-Destillerien in Schottland, sie kaufen nämlich die ausgemusterten Barriques und lagern ihrerseits indessen ihre kostbaren Single-Malts in dem wertvollen Holz. Und danach? Da gibt es viele gute und kreative Ansätze. So findet man die teure Fasseiche heute z. B. als Messergriff ebenso wie als Füllfederhalter oder Kugelschreiber wieder.

Titelbild: Flickr, Niklas Bildhauer

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